Selbstbedienungsläden verantwortungsloser Manager: Das Burgtheater als Anschauungsmaterial für den Umgang mit Grundproblemen heimischer Kulturpolitik und die Notwendigkeit, genauer hinzusehen

Gerfried Sperl hat die Entlassung des Burgtheater-Direktors genutzt, um Kulturmanager der letzten Jahren aufzuzählen, die vergessen haben, dass sie öffentliche Gelder verwalten und dass diese Aufgabe mit Verantwortung zu tun hat: Wilfried Seipel, Peter Noever, Gerald Matt und eben jetzt Matthias Hartmann. In allen Fällen war ich zwar an der Aufdeckung ihrer Verfehlungen nicht unbeteiligt, Sperl erwähnt mich aber nur im Zusammenhang mit dem Exchef der Kunsthalle, und zwar mit dem merkwürdigen Zusatz: „Der Betreiber des Matt-Rückzugs, der grüne Kultursprecher Wolfgang Zinggl musste sich nie rechtfertigen.“

Rechtfertigen – warum nicht? Ich muss ja nicht nochmals die Verfehlungen des ehemaligen Kunsthallenchefs aufzählen, die letztlich das Fass zum Überlaufen gebracht haben. Meine Intention war und ist es, jene vor den Vorhang zu bitten, die ein kommunales System für ihre persönliche Vorteilsnahme nutzen. Die Exzentrik mit Egozentrik verwechseln, ihr ausgeprägtes Ego mit Exzellenz gleichsetzen und Grenzen nur für andere ziehen.

Dazu möchte ich zwei Mythen in Frage stellen. Es ist ein Mythos, dass Kulturpolitik nur Belege und Beweise herbeischaffen darf, die zu einer juristischen Verurteilung führen. In Wahrheit hat es immer noch gereicht, nach sorgfältiger Prüfung jenes politisch brisante Material zu veröffentlichen, das anachronistische Überbleibsel des Feudalismus aufzeigt und die verantwortliche Politik zum Handeln auffordert. Spätestens dann wird von den Betroffenen sauteures Krisenmanagement engagiert und kostspielige Rechtsgutachten bestellt. Das ist im Übrigen ein viel zu selten diskutiertes Privileg dieser Heroen – dass sie nämlich auf Kosten der Öffentlichkeit mit Kanonen auf alles schießen können, was sich daranmacht, ihre Gebarungen zu kritisieren.

Und es ist ein anderer Mythos, dass Kunst mit unendlichen Privilegien und Geldern ausgestattet werden müsse, wenn das in Wahrheit immer nur für ganz wenige praktiziert wird. Die Verwirklichung künstlerischer Visionen und der verantwortungsvolle Umgang mit Steuergeld sind keine Antagonismen. Nicht jeder verantwortungslose Dandy ist ein Genie und nicht jeder verantwortungsvolle Kulturmanager ein langweiliger Erbsenzähler.

Ist es nicht infam, auf der einen Seite Institutionen, die es verdienen würden, großzügiger unterstützt zu werden, vergammeln zu lassen und auf der anderen Seite die barocke Spendierhose unter dem Motto anzuziehen, für Kunst sei uns nichts zu teuer? Ist es wirklich erstrebenswert, den Ruf zu wahren, am Burgtheater werde für die gleiche Leistung wesentlich mehr bezahlt als sonst wo auf der Welt? 50.000 Euro soll Mathias Hartmann für die szenische Einrichtung eines Liederabends erhalten haben. Das ist mehr als die jährliche Bundessubvention für das Jazzfestival Saalfelden. Es ist mehr als 70 Prozent aller Kunstinstitutionen erhalten. Wollen wir wenigen Auserwählten die Gelegenheit geben, goldene Nasen zu verdienen und allen anderen die lange Nase zeigen? Was ist das für eine Kulturpolitik, die mit satten Gagen den Vorteilsnehmern unendliche Möglichkeiten einräumt? Wer unterschreibt solche übermütigen Verträge?

Die Kunstbudgets sind knapp und wenig gibt uns Anlass, in naher Zukunft auf deren Steigerung zu hoffen. Umso wichtiger ist in dieser Zeit der Kampf gegen Korruption im Kunstmanagement. Es ist ein Kampf ums Geld für die Kunst. Es stört mich, wenn Kunstinstitutionen zu Selbstbedienungsläden verantwortungsloser Manager werden, während andere mit großem Engagement keine Chance bekommen und nicht wissen, wie sie die Miete zahlen sollen. Jeder Kulturverein, der eine fünfstellige Subvention erhält, muss penibel alle Förderrichtlinien einhalten und für eine ordnungsgemäße Buchhaltung sorgen, Honorare und Gehälter auf allen Ebenen gegenüber den Geldgebern rechtfertigen und jederzeit auf eine Prüfung vorbereitet sein.

Umso paradoxer mutet es an, wenn wie im Fall des Burgtheaters diese Spielregeln offenbar nicht gelten. Je bedeutsamer eine Kulturinstitution für Österreichs Selbstbild und Außenwahrnehmung, umso unverschämter? Ich fürchte, in diesem Zusammenhang wird die Freiheit von Kunst mit der Freiheit verwechselt, die sich manche ihrer Manager im Umgang mit öffentlichen Geldern herausnehmen. Und ich fürchte, dass manche Zeitungen diese feudalen Ansprüche immer noch unterstützen. Vorn in der Innenpolitik wird gegen Korruption gewettert und hinten im Kulturteil darüber gewitzelt, dass manch einer die Portokassa mit der eigenen Geldbörse verwechselt.

Meine Kritik richtet sich gegen ein System, das Manager wie Seipel, Noever, Matt und nun Hartmann Biotope schaffen lässt, in denen Günstlingswirtschaft blüht. Vielleicht sorgt das brennende Burgtheater nun für einen Kulturwandel – auch in der Kommentierung. Der kulturpolitische Feudalismus erreicht sein Ende. (Wolfgang Zinggl, DER STANDARD, 20.3.2014)