Noch deutet nichts darauf hin – aber theoretisch könnte selbst unser Bildungssystem schon in dreißig Jahren den heutigen Anforderungen entsprechen. Alles weht, sagt der Dichter, alles vergeht wie der Schnee, wie der Klee.

Und doch gibt es Dinge, die sich niemals ändern. Die ewig bleiben, wie sie sind und wie sie waren. Acht nachgereichte Bemerkungen zum Kulturbudget, wie es erst unlängst im Parlament beschlossen wurde:

  1. Das erste Wirkungsziel der staatlichen Kulturpolitik ist auch für die kommenden Jahre wieder „die Verankerung von Kunst und Kultur in der Gesellschaft“. Dieses Vorhaben findet sich schon im Regierungsprogramm von 2008 und im Kunstförderungsgesetz aus dem Jahr 1988. In guter Tradition will die Regierung das Gesetz weiter einhalten. Möge die Übung gelingen.
  2. Mit einem Anteil von 0,6 % an den staatlichen Gesamtausgaben verharrt das Kulturbudget seit Jahren auf niedrigstem Niveau. Dieser Prozentsatz ist keineswegs von der tristen Gesamtlage des Haushalts abhängig. Er sagt uns lediglich, welche Bedeutung Kunst für die Regierung hat. Und genau so lange, wie wir von der Sozialdemokratie in Sonntagsreden hören, dass der Anteil auf 1 % erhöht werden müsse, ist die SP für das Ressort und damit für diesen Prozentsatz verantwortlich.
  3. Das Kulturbudget für die kommenden zwei Jahre ist in Zahlen gegossene Regungslosigkeit. Gleich bleibt nicht nur die Summe der Ausgaben, sondern auch deren Aufteilung. Gedeckelte Budgets mit immer gleicher Verteilung allerdings lassen keine Möglichkeit offen, auf Entwicklungen zu reagieren: ein charakteristisches Merkmal konservativer Politik.
  4. Die Miet-, Infrastruktur- und Personalkosten sind seit 2007 allein um ein Fünftel angewachsen. Bleibt die staatliche Finanzierung trotz laufender Teuerung konstant, führt das im besten Fall zu einer verstärkten Abhängigkeit der Kunst von privaten Mäzenen und Sponsoren.  Die allerdings unterstützen eher große und prominente Einrichtungen als unbekannte und unkonventionelle. Bleiben sie aus, kommt es zur Reduktion von Qualität, Quantität und Vielfalt, wobei es zuerst die Kleinsten erwischt.
  5. Weil sich ihre Ausgaben – auch ohne GAU im Burgtheater – laufend erhöhen, erhalten dem gegenüber die Größten, also die Bundestheater und Bundesmuseen, wieder um fünf Millionen Euro mehr. Ihre Budgets werden seit 2007 de facto an die Geldentwertung angepasst  – seitdem die Sozialdemokratie für das Ressort verantwortlich ist: das Budget der Bundestheater mit 12 %, das der Bundesmuseen mit 19 %. Diese Erhöhungen schränken das frei verfügbare Budget, also die Ermessensausgaben und damit die Gestaltungsmöglichkeiten der Kulturpolitik, für die nächsten Jahrzehnte ein. Jedes Jahr fehlen fünf Millionen für neue Initiativen.
  6. Die Ermessensausgaben, also jener kleine Teil des Budgets, mit dem Kurskorrekturen möglich sind, wären beinahe um weitere dreißig Millionen Euro gekürzt worden. Für 2014 konnte das, dem Sozialminister sei Dank, noch einmal abgewendet werden. Er ist mit seinen Rücklagen eingesprungen, um Arbeitsplätze zu sichern. Indes hat aber der Budgetsprecher der Grünen, Bruno Rossmann, herausgefunden, dass diese Ermessensausgaben auch unabhängig vom soeben beschlossenen Budget gekürzt werden können und sollen.
  7. Die immer wiederkehrende Abgeltung der Teuerung für Bundestheater und -museen bedeutet bei langfristig konstantem Kulturbudget, dass alle anderen Einrichtungen systematisch eingespart werden müssen. Mit dem gegenwärtigen Kurs können in dreißig Jahren nur noch die staatseigenen Saurier finanziert werden. Bundestheater und Bundesmuseen würden dann nämlich 467 Millionen Euro verschlingen, also mehr als die gesamten Kulturausgaben heute. Noch ist diese Apokalypse nur ein Gedankenexperiment, weil für die großen Staatsbetriebe zurzeit lediglich 250 Millionen aufgewendet werden. Aber diese Aussicht stünde am Ende des aktuell eingeschlagenen Weges.
  8. Nur wer über ausreichende Mittel verfügt, kann neue Bedürfnisse befriedigen, ohne die alten in Frage zu stellen. Fehlt das notwendige Kleingeld, bleiben Reihungen und Präferenzen unausweichlich. Das gilt für den Einkauf im Supermarkt wie für die Ausgaben im Kulturbereich. Mit 2,5 Millionen Euro aus dem minimal verbleibendem  Verfügungsbudget zum Beispiel kann entweder ein gut dotierter Fonds für Musikschaffende eingerichtet werden, der aktuelle Hörgewohnheiten fördert, oder der Jahresbetrieb im neuen Barockmuseum in der Himmelpfortgasse. Kommt es zu keinem deutlich höheren Kulturbudget, muss der traditionelle Verteilungsschlüssel in Frage gestellt werden: Brauchen wir tatsächlich Bundesmuseen, die einander mit ähnlichem Programm und ähnlichen Aufgaben konkurrieren, während es nach wie vor kein Haus der Kulturen gibt, das Stilformen und Daseinsentwürfe zueinander in Beziehung setzt und sich an Themen orientiert, die uns täglich beschäftigen, mit der Veränderung der Medien, der Werbung, der Technologie und Mode? Müssen wirklich 93 % des Musikbudgets in die Reproduktion und Aufführung von historischen Werken fließen? Es wird höchste Zeit für kulturpolitische Weichenstellungen. Wir müssen Prioritäten definieren und uns möglicherweise von Liebgewonnenem trennen. Das wäre die eigentliche Aufgabe von Kulturpolitik. Für das Verwalten der Mängel allein reicht die Verwaltung.