Der Bund ist einer der größten Eigentümer und Mieter von Immobilien in Österreich. Zudem ist er mittelbar oder unmittelbar Eigentümer großer infrastruktureller Bauwerke. Er tritt als Gesetzgeber in baurelevanten Materien auf und setzt dadurch Rahmenbedingungen, wie wir unsere gebaute Umwelt gestalten. Er trägt also eine wesentliche Verantwortung für das Erscheinungsbild, die Nutzungsqualität und die Transformation unserer Landschaften, Städte, Dörfer und Gebäude. Der Staat hat daher eine Vorbildfunktion.

Zum verantwortungsvollen Umgang mit Steuergeld gehört auch die Verpflichtung zur Qualität von Bauten, welche der Bund Bürgerinnen und Bürgern in Form von Schulen, Amtsgebäuden, öffentlichen Räumen und Infrastrukturen zur Verfügung stellt. Denn die Bürgerinnen und Bürger sind nicht nur Steuerzahler, sondern auch Schüler, Bahnfahrerinnen, Menschen, die Behördengänge erledigen müssen, Angestellte des öffentlichen Dienstes, Spitalspatientinnen, Studierende, Autofahrer, Erholungssuchende, Wirtschaftstreibende u.v.m.
Sie alle haben ein Recht auf ein qualitativ hochwertiges und gebautes Umfeld, in dem sie sich tagtäglich bewegen und das sie selbst über den Staat mitfinanziert haben.
Baukultur kann zudem bewirken, dass Kosten für öffentliche wie private Bauten durch intelligentes und bedarfsorientiertes Planen, Bauen und Betreiben gesenkt werden oder dass für die Nutzerinnen und Nutzer ein bedeutender Zuwachs an Nutzungsqualität entsteht.
Sicherung und Ausbau einer hohen Qualität der gebauten Umwelt sind zentrale Faktoren für die Lebensqualität und die Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich. Daher steht der Bund auch – neben den Ländern und Gemeinden – in der Verantwortung, einer breiten Öffentlichkeit den Wert von qualitätsvollem Bauen näher zu bringen.
Um diese vielfältigen Ansprüche an Regelungsbereiche einer Baukulturpolitik zu diskutieren, wurde 2004 eine parlamentarische Enquete zum Thema „Architekturpolitik und Baukultur in Österreich“ durchgeführt und in der Folge die parlamentarische Entschließung 91/E (XXII. GP) verabschiedet, die mit den Stimmen aller Parteien angenommen wurde und die Bundesregierung ersuchte, einen Baukultur-Dialog zu etablieren und einen Baukulturreport in Auftrag zu geben, der dem Parlament vorzulegen sei. In einer zweiten parlamentarischen Entschließung 42/E (XXIII. GP) wurde die Bundesregierung ersucht, einen Beirat für Baukultur einzurichten und den Baukulturreport im Fünf-Jahres-Rhythmus weiterzuführen.
Dieser Baukulturreport hat erstmals im Jahr 2006 eine Reihe von Defiziten aufgelistet, die ein politisches Handeln erfordern. Themen waren unter anderen der flächen- und energieaufwändige Siedlungsbau und Bodenverbrauch, die Verödung der Ortszentren, mangelnde Vergabekultur in manchen Bereichen der öffentlichen Hand und das Fehlen einer Bindung öffentlicher Mittel an Qualitätskriterien.
2008 nahm der Bundeskanzler die Entschließung des Parlaments auf und richtete einen ressortübergreifenden Beirat für Baukultur im Bundeskanzleramt ein, in dem auch die Länder und Gemeinden sowie externe Expertinnen und Experten vertreten sind. Der Beirat konnte zwar erst im März 2009 zusammentreten, hat dann aber laufend Empfehlungen ausgearbeitet. Auch der Baukulturreport im Jahr 2011 hat – fünf Jahre nach dem ersten – Handlungsanleitungen erarbeitet, die sich an sieben Ministerien richten.
2016 wäre der nächste Baukulturreport dem Nationalrat zur Kenntnis zu bringen gewesen. Das ist nicht geschehen. 2017 wurden die Baukulturellen Leitlinien des Bundes vom Beirat für Baukultur und vom Ministerrat jeweils einstimmig beschlossen. Im aktuellen Regierungsprogramm ist die „Umsetzung der Baukulturellen Leitlinien des Bundes“ angekündigt, scheinbar ohne dass bisher zusätzliche Ressourcen über die minimal ausgestattete Geschäftsstelle des Beirats für Baukultur im Bundeskanzleramt hinaus dafür vorgesehen sind. Anfang 2018 wurde schließlich die Davos-Deklaration zur hochqualitativen Baukultur Europas von Österreich mitbeschlossen.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1) Wann wird der dritte Baukulturreport dem Nationalrat vorgelegt?
2) Auf welche Weise werden Sie diesen dritten Baukulturreport bei den verantwortlichen Stellen für das Bauen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene sowie in der Fachöffentlichkeit bekannt machen?
3) In welcher Auflage soll der Baukulturreport gedruckt werden?
4) Wann wird der vierte Baukulturreport beauftragt, der laut Entschließung des Nationalrats im Jahr 2021 vorgelegt werden muss?
5) Wie planen Sie die Umsetzung der Baukulturellen Leitlinien des Bundes inhaltlich, finanziell und personell sicherzustellen?
6) Wird es für diese Umsetzung zusätzliche Ressourcen über die gegenwärtig der Geschäftsstelle des Beirats für Baukultur zur Verfügung stehenden hinaus geben?
7) In den Baukulturellen Leitlinien des Bundes ist die Etablierung einer Einrichtung für Baukultur (Maßnahme 17.1) beschrieben. Bis wann und in welcher Form planen Sie die Umsetzung dieser Maßnahme?
8) In welcher Form werden die Baukulturellen Leitlinien des Bundes in die Vorhaben der Bundesregierung einfließen (z.B. Verwaltungsreform; Raumordnungskonzept; Masterplan gegen Bodenversiegelung; Reduktion des Flächenverbrauchs; Prüfung aller öffentlichen Förderungen auf Wirkungen, die der Erreichung der Energie- und Klimaziele entgegenstehen; bundesweite Planungs- und Steuerungsmechanismen für nachhaltige Siedlungsentwicklung und Baukulturqualität; etc.)?
9) Welche Schritte leiten Sie ein zur Umsetzung der Verpflichtungen aus der Davos-Deklaration zur hochqualitativen Baukultur Europas (Mainstreaming des Konzepts Baukultur bei allen Stakeholdern auf öffentlicher und privater Ebene, Entwicklung und Unterstützung von Maßnahmen zur Verwirklichung der Vision einer hochqualitativen Baukultur und Entwicklung einer Baukulturpolitik auf nationaler Ebene)?