Im Juli 2016 hat die UNESCO abermals festgestellt, dass die Stadtentwicklung in der Kernzone des Weltkulturerbes „Historisches Zentrum Wien“ bereits ein „kritisches Ausmaß“ erreicht hat. Damit verbunden war der dringende Aufruf, keine weiteren Hochhäuser darin zu genehmigen (UNESCO Welterbe Komitee, Decision 40 COM 7B.49).

Das Hochhausprojekt am Heumarkt soll nach einer Nachdenkpause mit einer Gebäudehöhe von 66 Metern nunmehr doch umgesetzt werden. Wien wird deshalb aller Voraussicht nach auf die Rote Liste gefährdeten Welterbes kommen und in der Folge den Status verlieren.

Der Titel um seiner selbst willen ist nicht so interessant wie die Folgen des Verlusts. Bald würden dem einen viele weitere Hochhäuser folgen. Aufgrund des Präzedenzfalls könnte ihnen nichts mehr entgegengehalten werden. Der international geschätzte Stadtkern verliert seine Attraktivität und Einzigartigkeit.

In der Anfragebeantwortung 8762/AB vom 29. Juni 2016 schreiben Sie: „Der Status als UNESCO-Welterbe ist für das historische Zentrum von Wien (und alle anderen österreichischen UNESCO-Welterbe-Stätten) von großer Bedeutung.“

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1)    Wie groß schätzen Sie mittlerweile die Gefahr ein, dass Österreich eine seiner Welterbe-Stätten verliert?

2)    Was haben Sie bisher unternommen, um den Vertrag mit der UNESCO seitens der Republik nicht zu gefährden?

3)    Wie erfolgreich waren diese Bemühungen?

Antwort des Bundesministers zu den Fragen 1 und 3:

Wäre das Hochhausprojekt Hotel Intercontinental/Eislaufverein in seiner ursprünglichen Form umgesetzt worden, hätte dies – nach Einschätzung der Expertinnen und Experten – mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Einschreibung der Welterbestätte „Historisches Zentrum Wien“ in die Liste des gefährdeten Weltkulturerbes bedeutet.
Diese Einschreibung führt jedoch nicht automatisch zur Aberkennung des Welterbestatus. Adaptierungen in Übereinstimmung mit den Anforderungen der
UNESCO können weiterhin vorgenommen werden und zu einer Entfernung der Welterbestätte aus der Liste des gefährdeten Welterbes führen. Das Hochhausprojekt wurde zwischenzeitlich überarbeitet und gegenüber der ursprünglichen Form u.a. in der Höhe reduziert.

4)    Was werden Sie noch unternehmen, um die Gefahr abzuwenden, dass der Status „Weltkulturerbe“ für Wien verloren geht?

5)    Im Strategiebericht zum Bundesfinanzrahmen 2017-2020 steht an prominenter Stelle die nachhaltige Absicherung des Weltkulturerbes in Österreich als eine der wichtigsten laufenden und geplanten Maßnahmen. Im Bundesvoranschlag für das Budget 2017 gibt es dieses Ziel nicht mehr. Warum eigentlich nicht – hat die Republik dieses Ziel mittlerweile aufgegeben?

Antwort des Bundesministers:

Die im Strategiebericht 2017 bis 2020 genannte „nachhaltige Absicherung des Weltkulturerbes in Österreich“ ist im Bundesvoranschlag im Wirkungsziel 2 in der Formulierung „Absichern des kulturellen Erbes“ umfasst. Im DB 32.01.03 (Denkmalschutz) des BVA 2017 wird mit Ziel 4 das UNESCO Weltkulturerbe explizit angesprochen durch die „Umsetzung einheitlicher administrativer Rahmenbedingungen im Bereich des UNESCO Welterbes“. In Ergänzung dazu ist das Ziel 5 „Etablierung einer partnerschaftlichen Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe ‚Baukultur‘“ zu verstehen.
Unter den dazugehörigen Maßnahmen findet sich zu Ziel 4 die unmittelbar die Weltkulturerbestätte „Wien Historisches Zentrum“ betreffende „Erstellung eines Katasters über historische Dachtragwerke des Historischen Zentrums“. Zudem ist das UNESCO Weltkulturerbe auch Gegenstand der zu Ziel 5 genannten Maßnahme „Erarbeitung Baukultureller Leitlinien im Rahmen eines breiten Beteiligungsprozesses“.
So haben im Zuge dieses Prozesses VertreterInnen der österreichischen Welterbestätten ihre Positionen etwa bei dem im Oktober 2016 in Linz abgehaltenen Baukulturkonvent eingebracht.

6)    Die UNESCO hat die Republik um eine Stellungnahme bis 1.2.2017 ersucht. Wann und wie werden Sie als Vertragspartner der UNESCO gegenüber argumentieren?

Antwort des Bundesministers zu den Fragen 2, 4 und 6:

Die Sektion für Kunst und Kultur hat in mehreren Gesprächen mit den Verantwortlichen der Stadt Wien darauf hingewiesen, dass eine Umsetzung des Projekts nach den ursprünglichen Plänen zu einer Aberkennung des Welterbestatus führen könnte und auf die Notwendigkeit einer Überarbeitung des Projekts in Übereinstimmung mit dem Beschluss des Welterbe-Komitees vom Juli 2016 (Decision 40 COM 7B.49) hingewiesen. Zusätzlich wurden teils auf Vermittlung der Sektion für Kunst und Kultur wie auch auf Anfrage der Stadt Wien von der Österreichischen UNESCO Kommission, der Ständigen Vertretung Österreichs bei der UNESCO sowie ICOMOS Österreich Gespräche mit der Stadt Wien geführt, um dem Weltkulturerbe angemessene Lösungen im Zusammenhang mit dem Historischen Zentrum Wien zu erreichen.
Die Sektion für Kunst und Kultur des Bundeskanzleramtes stand und steht in dieser Angelegenheit in engem Kontakt mit der Stadt Wien; etwa bei der Ausarbeitung des im genannten Beschluss geforderten State of Conservation Report (SOC-Report) der am 3. Februar 2017 der UNESCO übermittelt und am 7. Februar 2017 auf der Hompage der UNESCO veröffentlicht wurde. Es wurde darauf hingewiesen, dass die bisher vorgenommene Höhenreduktion des Projekts Hotel Intercontinental/Eislaufverein mit großer Wahrscheinlichkeit noch nicht den Empfehlungen des genannten Beschlusses des Welterbe-Komitees entsprechen wird, die auf die Gebäudehöhen in der Umgebung verweisen. Eine offizielle Stellungnahme der UNESCO zum SOC-Report liegt noch nicht vor. Allfällige weitere Schritte sind vom Ergebnis dieser Stellungnahme abhängig.
Eine Veröffentlichung des offiziellen Beschluss-Entwurfs zum Historischen Zentrum Wien für die kommende Welterbe-Komitee-Sitzung im Juli 2017 ist nach Einarbeitung des SOC-Reports und allfälliger weiterer Stellungnahmen frühestens für April oder Mai 2017 vorgesehen.

Hingewiesen wird in diesem Zusammenhang auf den Umstand, dass in Vollziehung völkerrechtlicher Verträge der Bund in vielen Bereichen nicht über ausreichende Möglichkeiten verfügt, um die aus den Verträgen resultierende Verpflichtungen umzusetzen, sofern diese im Verantwortungsbereich der Länder und Gemeinden liegen. Diese Frage soll daher auch in den nun beginnenden Bund-LänderGesprächen zur Bundesstaatsreform zur Diskussion gestellt werden.