Grüne: Die wirklich notwendigen Reformen wurden völlig ignoriert
„Die Festplattenabgabe war von Anfang an ein hoch
gepushter Nebenschauplatz der wichtigen Urheberrechtsdiskussion“,
kommentiert der Kultursprecher der Grünen, Wolfgang Zinggl, die
vorliegende Novellierung des Urheberrechts. „Mit ihrer Einführung
wird dieser Nebenschauplatz jetzt geschlossen und das ist gut so. Es
ist aber auch schon das einzig Positive an der jämmerlichen Reform,
die jetzt in Begutachtung geschickt wurde.  Das Urheberrecht hätte
nämlich ganz andere Veränderungen dringender benötigt. Die umfassende
Verfügbarkeit von Daten zum Beispiel erfordert schon seit langem eine
freiere Werknutzung; eine Unterscheidung zwischen kommerzieller und
nicht-kommerzieller Nutzung anstelle der veralteten Privatkopie wäre
angebracht gewesen und vor allem brauchen wir völlig neue
Vergütungsmodelle. Ein modernes Urheberrecht hätte die
Verwertungsgesellschaften transparenter und demokratischer
strukturieren müssen, Creative-Commons-Modelle ermöglichen können und
Bedingungen verhindert, die eine nichtkommerzielle Nutzung
ausschließen. Vor allem aber hätte es zu einer Rechtssicherheit
geführt. Kaum jemand weiß, welche Vorgänge im Internet überhaupt
legal sind. Die vorliegende Novellierung schafft vor allem eines
nicht: Rechtssicherheit.“

„Mit der Festplattenabgabe will die Regierung die Kunstschaffenden
für Verluste entschädigen, die durch das Kopieren geschützter Inhalte
im Internet entstanden sind. Diese Abgabe wird den meisten
Kunstschaffenden aber nicht viel bringen. Eine Beantwortung meiner
parlamentarischen Anfrage durch den Justizminister zeigt, dass mehr
als die Hälfte aller Bezugsberechtigten aus der
Leerkassettenvergütung im Jahr 2013 weniger als einen Euro erhalten
hat. Und die Zahlen der Verwertungsgesellschaft Austro Mechana lassen
ein Superstarsystem erkennen, bei dem die Kluft zwischen wenigen, die
Tantiemen kassieren und sehr vielen, die so gut wie nichts bekommen,
immer größer wird.
Wäre den zuständigen Ministern eine soziale Absicherung tatsächlich
ein Anliegen, würden sie auf eine Stärkung der Rechte von
Kunstschaffenden setzen. Wenn etwa mächtige Rundfunkanstalten mit
SongwriterInnen, große Filmfirmen mit NachwuchsschauspielerInnen oder
international tätige Verlage mit JungliteratInnen Verträge
aushandeln, tun sich aus begreiflichen Gründen die Kunstschaffenden
schwer, eigene Vertragsbedingungen einzufordern. Ein
Urhebervertragsrecht würde den Künstlerinnen und Künstlern
Verhandlungen mit Konzernen und Großunternehmen auf Augenhöhe
erlauben und Mindeststandards garantieren“, meint Zinggl.

„Dass die Einnahmen aus der Leermedienabgabe zwischen 2007 und 2013
um zehn Millionen Euro zurückgegangen sind, ist das einzige Faktum,
auf das sich die Festplattenabgabe begründet. Der Justizminister
meinte noch vor einem Jahr, dass es zuerst Aufgabe der Gerichte sei,
das Ausmaß der Speicherung von geschütztem Material, das legal
downgeloaded werde, zu prüfen. Warum die Festplattenabgabe nun auch
ohne diese Prüfung Gesetz wird, bleibt  genauso rätselhaft, wie die
Eile, mit der es plötzlich verabschiedet werden soll. Es
unterscheidet sich nämlich kaum von den viel kritisierten Entwürfen
der letzten Jahre, dennoch bekommen die Betroffenen gnädig gerade
einmal zehn Tage Zeit für Stellungnahmen“, hält Zinggl fest.
Nach Aussage von Wolfgang Brandstetter wäre es Ziel gewesen, „eine
gut abgestimmte Lösung für ein modernes Urheberrecht“, zu entwickeln.
„Das ist nicht gelungen“, kontert Zinggl. Dass für Brandstetter „die
Mitarbeit der Betroffenen und zumindest ein gewisser Grundkonsens
besonders wichtig“ wären, war genauso hohle Phrase, wie sein Bemühen
um einen „fairen Interessensausgleich zwischen Künstlern, Bürgern und
Wirtschaft“. Von all dem kann keine Rede sein. „Jahrelang hat die
Regierung herumgedoktert, Berge haben gekreist und geboren wurde die
kleine Lachmaus Festplattenabgabe. Sowohl in der SPÖ als auch in der
ÖVP waren schon weit fortschrittlichere Vorschläge am Tisch, aber der
träge Konservativismus hat gesiegt. So hat die SPÖ beispielsweise bis
heute Vormittag noch auf ihrer netzpolitischen Seite gegen die
Einführung einer Festplattenabgabe argumentiert. Heute Mittag wurde
dieser link gelöscht. Ein Meilenstein hätte es werden müssen, ein
Zentimeterkiesel ist es geworden. Echte Reformen sind jetzt für lange
Zeit nicht in Sicht“, resümiert Zinggl.

Schreuder: Digitale Inkompetenz der Bundesregierung verblüffend

Für den netzpolitischen Sprecher der Grünen, Marco Schreuder, zeigt
sich die dramatische digitale Inkompetenz der Bundesregierung im Plan
ein Leistungsschutzrecht zu installieren. Dieses bedeutet, dass
Snippets von Zeitungsartikeln auf Portalen nur gegen Bezahlung an
Verlagen möglich werden. Schreuder erinnert daran, dass genau dieses
Recht etwa in Spanien oder Deutschland dramatisch scheiterte:
„Zeitungen sind von Online-Verweise ebenso abhängig wie
Online-Portale von Verlagen. Diese gegeneinander auszuspielen kann
nur zum Scheitern führen.“ Zudem erinnert Schreuder an die
Innovationsfeindlichkeit dieser Regelung: „Jetzt eine Lex Google zu
schaffen ist verrückt. Gerade neue Start Ups können nun nicht
entstehen, weil das Leistungsschutzrecht für diese eine zu große
finanzielle Hürde darstellt. Das nächste große Ding à la Google
könnte ja auch aus Österreich kommen – mit diesem Gesetz allerdings
garantiert nicht.“

Dass die Festplattenabgabe ein Beweis dafür ist, dass die Regierung
den Entwicklungen hinterher hinkt, statt für Innovation Raum zu
schaffen“, ist Bundesrat Marco Schreuder überzeugt, den die „digitale
Inkompetenz der Bundesregierung“ sehr verblüfft. Festplatten sind gar
nicht mehr state of the art, denn heutzutage ist das die Cloud und
Streamingdienste. Daran erkennt man, dass die Bundesminister Wolfgang
Brandstetter und Josef Ostermayer offenbar jegliche technologische
Entwicklung verschlafen haben. Und was hat Österreich denn genau
davon, wenn sich User und Userinnen ihre Festplatten im Netz kaufen?
Dann verliert Österreich Steuereinnahmen und der luxemburgische
Finanzminister darf sich freuen“, sagt Schreuder.