Am 2. März wird im parlamentarischen Kulturausschuss das Gesetz zum „Haus der Geschichte“ verhandelt. Ein erstes Konzept war bereits im Oktober vom Vorsitzenden des wissenschaftlichen Beirats Oliver Rathkolb vorgestellt und danach von geladenen Fachleuten kritisiert worden. Auch die Abgeordneten der Oppositionsparteien und der ÖVP zeigten sich wenig begeistert. Der danach ausgearbeitete Gesetzesentwurf hat alle Bedenken ignoriert. Demgemäß fielen die Begutachtungen zu diesem Entwurf aus. Rechnungshof und Finanzministerium fanden keine nachvollziehbar berechneten Kosten und das ganze Procedere stünde im Widerspruch zu internationalen museologischen Standards. Nun gibt es eine leicht verbesserte Regierungsvorlage. Viele Fragen bleiben trotzdem offen.

Was?

Gelegentlich sagt die Verpackung etwas über den Inhalt. Manchmal allerdings werden vorrangig Verpackungen verkauft. „Europahaus“, „Haus der Toleranz“, „Museum der Republik“, „Österreichisches Nationalmuseum“, „Haus der Geschichte“, „Haus der Zukunft“. Offenbar weiß niemand so recht, was werden soll. Vergangenheitsbewältigung, Gegenwartsanalyse, Zukunftsvision? Seit Jahrzehnten geht es vor allem um die Bezeichnung. Hauptsache, irgendwas wird.

Wofür?

Die Vergangenheit aufzubereiten, um heute besser zu verstehen, was morgen kommen könnte, macht politische Diskussionen redlich und vernünftig. Je mehr sich an so einem Prozess beteiligen, umso qualifizierter werden die Entscheidungen. Eine gefestigte Demokratie wird daher großes Interesse daran haben, historische Wurzeln zu vermitteln. Braucht sie dafür aber eine weitere museale Institution? Fällt ihr nichts Effizienteres ein als wieder nur eine dieser üblichen hegemonialen Prestigezentralen?

Wie?

An entsprechenden Institutionen mangelt es nicht in Österreich. Würde es nicht reichen, den Landesmuseen, den jüdischen Museen, dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, dem Volkskundemuseum, den Instituten für Zeitgeschichte und vielen ähnlichen Einrichtungen kräftiger unter die Arme zu greifen? Damit das, was sie vorhaben, auch gemacht werden kann?

Flächendeckend und mehr als bisher könnte auch der Zeitgeschichteunterricht in den Schulen verbessert werden – angeknüpft an die jeweils aktuellen tagespolitischen Themen und ausgestattet mit ausgeklügeltem Unterrichtsmaterial.

Ein facettenreiches Geschichtsbewusstsein mit fragmentarischem, stets latentem und konflikthaftem Charakter wäre auch mit geförderten Dokumentarfilmen, in den Medien und über eine Website zu stärken. Dezentral, vielstimmig, reflexiv. Und für all das wäre sogar die Einrichtung eines Koordinationszentrums vorstellbar.

Aber natürlich kann auch ein weiterer Tanker in die ohnehin schwerfällige Wiener Museumslandschaft gepresst und mit Subventionsschläuchen am Leben erhalten werden, ein „ewig untotes Haus der Geschichte, das in Wahrheit niemand wirklich will, denn sonst hätte man es längst gebaut…“, wie Daniela Strigl in der Furche schreibt. Genau dafür wurden in den letzten Jahrzehnten zahlreiche Arbeitsgruppen beauftragt, Regierungsprogramme formuliert, Diskussionen geführt. Zum Glück ist nichts davon verwirklicht worden.

Der im letzten Jahr verstorbene Zeithistoriker Sigi Mattl hat nämlich davor gewarnt, Konstruktionen von Vergangenheit in einem dafür abgestellten Haus zu musealisieren. So ein Haus ließe die Geschichte erstarren, wäre wie ein Staatskino, das permanent fünf wichtige Filme bringt und einmal im Jahr als Aufputz einen zusätzlichen. Eine Kühltruhe wäre das, in der subjektive Erzählungen eingefroren werden. „Was an dieser Politik verstört, ist die Meinung, den Holocaust im Rahmen eines österreichischen Museums auf dokumentarische Weise und damit scheinbar objektiv repräsentieren zu können“.

Natürlich. Davon ist nicht die Rede. Schon die Arbeitsgruppe von Ministerin Gehrer (VP) vor zehn Jahren hat betont, dass ihr Geschichtehaus „nicht mehr als klassisches Museum vorstellbar“ sei. Und wiewohl damals schon von internationalen Fachleuten und einer Steuerungsgruppe begleitet, hat ihr das niemand abgenommen. Was wie ein Museum aussieht, sämtliche Strukturen eines Museums aufweist und im Museumsgesetz verankert wird – ist ein Museum. In dem letztlich österreichische Identität künstlich produziert wird.

Im Konzept 2006 war eine Dauerausstellung vorgesehen. Mit zusätzlichen „Tiefenbohrungen“ für weiter zurückliegende Ereignisse, mit wechselnden Sonderausstellungen, mit einer Sammlung, Diskussionsplattformen und mit einem Internetportal. Dann haben die Sozialdemokraten die Nationalratswahl gewonnen und das Gehrer-Projekt wurde entsorgt.

Jetzt ist es wieder da. Österreich, so sieht es der Gesetzestext vor, soll eine „Stätte der geistig-kulturellen Identität“ bekommen (Regierungsvorlage hier), mit einer Verpflichtung zur „objektiven wissenschaftlichen Darstellung geschichtlicher Entwicklungen und Ereignisse“. Mit Dauerausstellung, Tiefenbohrungen, wechselnden Sonderausstellungen, mit einer Sammlung, Diskussionsplattformen und einem Internetportal.

Dieses frische Konzept weist zwei gewichtige Unterschiede zum abgelegten auf. Spindoktor damals war der VP-nahe Historiker Stefan Karner und Standort des Geschehens hätte das Arsenal werden sollen. Jetzt ist der SP-nahe Historiker Oliver Rathkolb der Spindoktor und es wird die Hofburg umgebaut. Warum sich das Arsenal für den Zweck nicht mehr eignet, hat bislang noch niemand wirklich erklären können. Was alles gegen die Hofburg spricht allerdings schon. Allein der Transfer der dort ansässigen Musikinstrumentensammlung mit ihren teuren, erst 2011 eingebauten speziell ausgetüftelten Klimaeinrichtungen, wird weit über acht Millionen Euro kosten. Aber das ist nur das Geld.

Wer?

Eine Institution, die sich mit kontroversen Fragen zur Geschichte befasst, müsste zumindest radikal eigenständig auftreten und dazu gesetzlich ermächtigt sein. Dafür müsste, schreibt Eva Blimlinger in ihrer Begutachtung, „inhaltliche Unabhängigkeit gegeben sein und eine eigenständige Anstalt öffentlichen Rechts gegründet werden“.

Der Gesetzesentwurf lässt die politische Unabhängigkeit vermissen. Das hat mit der ministeriellen Entscheidung zum künftigen Standort begonnen, wurde mit der Wahl eines Leiters für den konzeptuellen Beirat, dann mit der mangelnden Ausschreibung zur Architektur fortgesetzt und erreicht einen ersten Höhepunkt mit der Besetzung der wissenschaftlichen Gremien.

Ein Einfluss des Bundeskanzleramts auf den wissenschaftlichen Beirat ist nur schlecht getarnt. Zwei seiner sechs Mitglieder bestellt der Bundeskanzler und von diesen beiden muss eines für den Vorsitz gewählt werden. Ein drittes Mitglied ist der Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs, eine Dienststelle des Bundeskanzleramtes. Der wissenschaftliche Beirat nominiert unter anderem die Leitung des Hauses.

Wieviel?

Angesichts der akuten Budgetnot und dringend benötigter Gelder in allen Bereichen des Kulturbetriebs bleiben auch die Kosten für das Projekt nicht nebensächlich. Finanzierbar ist alles und sei es auf Pump mit Kreditrückzahlungen über viele Jahre in der Höhe der doppelten Bausumme. Für die Errichtung des Museumsquartiers wollte die Republik 116 Millionen Euro zahlen. Nach 15 Jahren mit einer jährlichen Rückzahlungsrate von 14,5 Millionen waren es zuletzt 217,5 Millionen Euro. Und weil alle im Kulturbereich Tätigen wissen, dass nur die minimalsten Auslagen genannt werden, heißt es auch dieses Mal auf der Hut sein und – aus der Geschichte lernen: Im Zuge der Baufortschritte entwickeln sich gerne auch die verbauten Summen. So geschehen im 21er Haus, in dem sich die Gesamtkosten der Generalsanierung von ursprünglich bedachten 18 Millionen auf monströse 30 Millionen Euro erhöht haben.

Für das Haus der Geschichte wurden zuerst 19,3 Millionen Euro berechnet. Minister Ostermayer wollte diese Summe über die Einsparung nach der Redimensionierung des Weltmuseums finanzieren. Die allerdings bringt maximal elf Millionen Euro.

19,3 Millionen? Der Betrag hat den Profis nur ein müdes Lächeln abgerungen. Im Gesetzesentwurf standen bereits 43,1 Millionen Euro. Der Rechnungshof hat diesen Betrag kritisiert, weil die Kosten nicht plausibel dargestellt waren. Und tatsächlich sind es in der nun vorliegenden Regierungsvorlage bereits 53,8 Millionen Euro.

Auch das Finanzministerium hatte schwere Bedenken. Vor allem blieb dem Ministerium schleierhaft, wie die Bedeckung aus dem Bundesmuseenbudget erfolgen soll, „wenn aktuell alle veranschlagten Mittel verplant sind“.

Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der Bildenden Künste, errechnet einen Mindestbetrag von 86 Millionen Euro. Ihr fehlten unter anderem die Umsatzsteuer, die Bauzinsen und die Valorisierung der Kosten.

Zu den Errichtungskosten werden in der Regierungsvorlage ab 2019 jährlich anfallende Mittel für den laufenden Betrieb mit 3.6 Millionen Euro angegeben. Um diesen Betrag soll sich die Basisabgeltung der Österreichischen Nationalbibliothek erhöhen.

Das Haus der Geschichte soll nämlich Teil der Nationalbibliothek werden. Nachdem schon beim Weltmuseum die Angliederung an das Kunsthistorische Museum zum Ruin dieser Institution geführt hat, wird die Systematik der Bundesmuseen weiter durchrüttelt, anstatt sie zu vereinheitlichen. Offen dabei bleibt die rechtliche und budgetäre Selbständigkeit der Leitung des Hauses. Einen weiteren Frühstücksdirektor wie im Weltmuseum braucht niemand. Der darf nämlich ohne Genehmigung des Kunsthistorischen Museums nicht einmal an die Öffentlichkeit treten. So wie es aussieht, muss auch die Leitung des Geschichtehauses die Generaldirektorin der Nationalbibliothek um Erlaubnis fragen.

Auf wessen Kosten?

Beim konstant mageren Kulturbudget bindet die Umsetzung eines weiteren musealen Tankers als Prestigeprojekt in allen Fällen zusätzliche Ressourcen auf viele Jahrzehnte.

Zur Erinnerung: Der Betrieb eines vergrößerten Weltmuseums war von der ehemaligen Ministerin Schmied nicht kalkuliert worden. Ende 2014 hat der Kulturminister das Projekt daher vorzeitig gestoppt, weil zusätzliche Kosten von 2,3 Millionen Euro jährlich angefallen wären. „Wir müssen sparen. Man kann sich keinen Ferrari kaufen, wenn man sich nicht einmal die Erhaltungskosten leisten kann“, erklärte das Kulturministerium damals der Kronen Zeitung.

Wie aber kann für den Betrieb einer neuen Institution Geld da sein, wenn es für den Betrieb des alten fehlt? Und wenn Ostermayer die laufenden Kosten für das Weltmuseum nicht übernehmen wollte, weil sie von seiner Vorgängerin nicht budgetiert waren, wer übernimmt dann die jetzt nicht budgetierten Kosten für das Haus der Geschichte nach Ostermayer?

Seit 15 Jahren ist das Weltmuseum, damals hieß es noch Völkerkundemuseum, geschlossen. Das alleine ist schon himmelschreiend. Anstatt es zu einem Ort der Begegnung unterschiedlicher Kulturen zu machen, mit dem eine funktionierende kulturelle Vielfalt in Österreich unter Beweis gestellt hätte werden können, wurde es Jahr für Jahr weiter entwertet. Erst von Ministerin Gehrer, dann von Ministerin Schmied und jetzt von Minister Ostermayer. Erst wurde es dem Kunsthistorischen Museum einverleibt, dann finanziell ausgeblutet. Es hat seine Ausstellungsräume verloren und seine Präsenz wurde in der Öffentlichkeit verheimlicht.

Das Haus der Geschichte ist ein unnötiges Prestigeprojekt, das zu Lasten aller anderen Kultureinrichtungen und Kunstschaffenden gehen wird.