Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1) Die schriftliche Anfrage 967/J betreffend Beschlussprotokolle der Bundestheater-Bühnengesellschaften wurde am 28.02.2014 an das damalige BMUKK übermittelt. Wann haben Sie den Auftrag gegeben, die Anfrage an den Verfassungsdienst im BKA weiterzuleiten?
2) Was war Ihr konkreter Auftrag an den Verfassungsdienst: ein Gutachten, eine Einschätzung, eine Stellungnahme, das Ersuchen, die Anfrage zu beantworten, oder etwas ganz anderes?
3) Welches Datum und welche Geschäftszahl trägt die Stellungnahme bzw. Einschätzung des Verfassungsdienstes betreffend die Anfrage 967/J?
4) Mit welcher detaillierten Begründung kommt der Verfassungsdienst zu der von Ihnen vertretenen Meinung? Wir ersuchen um Übermittlung der Stellungnahme des Verfassungsdienstes.
5) Auf welche rechtswissenschaftliche Literatur oder ähnliche Grundlagen stützt der Verfassungsdienst die Ihnen übermittelte Rechtsansicht zur Beantwortung der Anfrage 967/J?
6) Welche Kommentare zum Bundes-Verfassungsgesetz, zum Bundestheaterorganisationsgesetz und zur Nationalrat-Geschäftsordnung liegen der Abfassung der Stellungnahme bzw. der Einschätzung zugrunde?
7) Warum haben Sie in der Anfragebeantwortung weder den Verfassungsdienst noch andere eingeholte Fachexpertisen erwähnt?
8) Welche juristischen Grundlagen veranlassen Sie zu der Interpretation, dass „sich die Interpellation auf eine bestimmte, konkretisierte Angelegenheit [zu beziehen habe], hinsichtlich derer auch tatsächlich Beschlüsse des jeweiligen Aufsichtsrates vorliegen“?
9) Woher stammt der Terminus „bestimmte, konkretisierte Angelegenheit“?
10) Haben Sie bzw. hat Ihr Kabinett die Stellungnahme bzw. Einschätzung des Verfassungsdienstes inhaltlich verändert, gekürzt oder ergänzt, bevor sie als Anfragebeantwortung an den Nationalrat übermittelt wurde? Falls ja: In welche Passagen wurde eingegriffen?
Antwort des Bundesministers zu den Fragen 1 bis 10:
Jede an mich gerichtete Parlamentarische Anfrage wird von der Parlamentsdirektion
dem Ministerratsdienst im Bundeskanzleramt, der für den Verbindungsdienst zum
Parlament zuständig ist, übermittelt. Der Ministerratsdienst informiert mein Büro über
das Einlangen dieser Anfrage und übermittelt sie an diejenigen Stellen des
Bundeskanzleramtes und seiner nachgeordneten Dienststellen, die inhaltlich für die
Beantwortung der Anfrage zuständig sind, mit dem Ersuchen, dazu Stellung zu
nehmen.
Sollte es zu einer solchen Anfrage Koordinierungsbedarf geben, etwa weil mehrere
Stellen gemeinsam zur Beantwortung heranzuziehen sind, oder weil gleichlautende
oder ähnliche Parlamentarische Anfragen an mehrere Mitglieder der
Bundesregierung gerichtet wurden, so hält der Ministerratsdienst eine Sitzung zur
Koordinierung der Anfragebeantwortung ab.
Auf Basis der eingeholten Stellungnahmen erstellt der Ministerratsdienst sodann
einen Beantwortungsentwurf, der meinem Ministerbüro übermittelt wird; auf Basis
dieses Entwurfes erfolgt dann meine Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage.
insofern anders, als diese Anfrage am 28. Februar 2014 an die (damals noch
zuständige) Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur gerichtet wurde. Die
Anfrage ist daher beim Verbindungsdienst dieses Bundesministeriums eingegangenund
worden.
Mit dem Inkrafttreten der BMG-Novelle 2014 iVm der Entschließung des
Bundespräsidenten, BGBl. II Nr. 37/2014, am 1. März 2014 ging die Zuständigkeit
zur Beantwortung dieser Parlamentarischen Anfrage auf mich über. Die Kultursektion
– die mit 1. März 2014 Teil des Bundeskanzleramtes wurde – hat im Sinne der oben
angesprochenen Koordinierung Rücksprache mit dem Verfassungsdienst in Hinblick
auf die Reichweite des Art. 52 B-VG gehalten und in der Folge ihre Stellungnahme
dem Ministerratsdienst übermittelt, der dann wie oben geschildert den
entsprechenden Antwortentwurf erstellte.
Anlässlich der Übermittlung des Gutachtens von Prof. Öhlinger, das sich mit der
Beantwortung von Anfragen betreffend den Bereich der Bundestheaterholding
befasst, habe ich sowohl den Verfassungsdienst als auch die Kultursektion
beauftragt, die bisherige, der betreffenden Anfragebeantwortung zu Grunde liegende
Auslegung der betreffenden Bestimmungen im Lichte der Ausführungen des
besagten Gutachtens neuerlich zu prüfen.
Seitens des Verfassungsdienstes wurde mir folgende Einschätzung in Hinblick auf
die verfassungsrechtliche Grundlage mitgeteilt:
Auf das Wesentliche zusammengefasst legt das Gutachten Art. 52 Abs. 2
B‑ VG in einer Weise aus, dass eine Unternehmung im Sinne dieser
Bestimmung selbst Gegenstand der Interpellation sein kann.
Dazu ist anzumerken, dass damit eine Minderheitsposition vertreten wird, wie
der Gutachter doch selbst einräumt und dass auf der anderen Seite die
Auslegung des Art. 52 (Abs. 2) B-VG in der Anfragebeantwortung 843/AB
einer verbreiteten Auffassung im rechtswissenschaftlichen Schrifttum
entspricht (vgl. Seite 2 des Gutachtens).
Der Verfassungsdienst hat in der Frage der Reichweite des parlamentarischen
Interpellationsrechts in der Vergangenheit stets jene Auffassung des Art. 52
(Abs. 2) B-VG vertreten, die auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum
mehrheitlich vertreten wird und die in der gegenständlichen Angelegenheit
auch vom Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienst der
Parlamentsdirektion (Information vom 8. Juli 2014) vertreten wurde (siehe zum
Beispiel die Stellungnahmen des Verfassungsdienstes vom 22. April 1997,
GZ. 600.980/13-V/4/97; vom 23. Juli 2003, GZ BKA-600.980/017-V/1/2003).
Für die Auslegung des Art. 52 Abs. 2 B-VG primär heranzuziehen sind danach
die Gesetzesmaterialien zur B-VG-Novelle BGBl. Nr. 508/1993, in denen
wörtlich Folgendes ausgeführt wird (AB 1142 BlgNR 18. GP, 4,
Hervorhebungen nicht im Original):
„Zu Art. 52 Abs. 2:
Nach Art. 52 Abs. 1 B-VG ist der Nationalrat befugt, die Geschäftsführung
der Bundesregierung zu überprüfen, deren Mitglieder über alle Gegenstände
der Vollziehung zu befragen und alle einschlägigen Auskünfte zu verlangen.
Der Vollziehungsbegriff dieser Bestimmung umfaßt die gesamte Verwaltung
(einschließlich der Regierungsakte) des Bundes, also nicht die
Gerichtsbarkeit, wohl aber auch die nichthoheitliche Bundesverwaltung.
Wird eine wirtschaftliche Tätigkeit durch Organe einer selbständigen
juristischen Person ausgeübt, so kann sich das Interpellationsrecht nur auf
die Rechte des Bundes (zB Anteilsrechte in der Hauptversammlung einer
Aktiengesellschaft) und die Ingerenzmöglichkeiten seiner Organe beziehen,
nicht jedoch auf die Tätigkeit der Organe der juristischen Person, die von
den Eigentümervertretern bestellt wurden.“
Welche Rechte dem Bund in Bezug auf bestimmte Unternehmungen im Sinne
des Art. 52 Abs. 2 B-VG Rechte eingeräumt sind und welche
Ingerenzmöglichkeiten seine Organe haben, ist eine Frage der Auslegung der
jeweils maßgeblichen einfachgesetzlichen (insbesondere
gesellschaftsrechtlichen) Bestimmungen. Es ist hier also konkret auf die
Auslegung des § 13 Abs. 6 Bundestheaterorganisationsgesetz abzustellen,
der offenkundig eine Ingerenz des Bundesministers in Bezug auf bestimmte
dort näher umschriebene Aspekte regelt. Was die im Gutachten unter Pkt. „4.
Grenzen der Antwortpflicht“ genannten Fragen der Amtsverschwiegenheit
nach Art. 20 Abs. 3 B-VG und des Datenschutzes (§ 1 DSG 2000) betrifft, gilt
Folgendes: Prof. Öhlinger geht selbst davon aus, dass die (von ihm nicht
geteilte) herrschende Lehre und Praxis annimmt, dass die
Amtsverschwiegenheit gegenüber dem Nationalrat gilt sowie § 1 DSG den
Umfang einer Anfragebeantwortung einzuschränken vermag, was beides auch
der Ansicht des Verfassungsdienstes entspricht.
Seitens der Kultursektion wurde in Hinblick auf die einschlägigen einfachgesetzlichen
Bestimmungen des Bundestheaterorganisationsgesetzes wie folgt ausgeführt:
§ 13 Abs 6 BThOG lautet wie folgt (Anmerkungen eingefügt):
§13 (6) Die Aufsichtsräte gemäß Abs. 3 Z 1, 3 und 4 (N.B.: der Bundestheater-
Holding) sowie gemäß Abs. 4 Z 1, 3 und 4 (N.B.: der Tochtergesellschaften)
sind gegenüber dem entsendenden Bundesminister / der entsendenden
Bundesministerin über die Beschlüsse des Aufsichtsrates zur
Auskunftserteilung verpflichtet.
Die Sektion VI (Kultur) nimmt zu den betreffenden Aspekten des Gutachtens
wie folgt Stellung:
a) Die Auslegung des § 13 Abs 6 BThOG wurde seit der Ausgliederung
der Bundestheater durchgehend verwendet.
b) Die Argumentation wurde im Wesentlichen auf Basis der ursprünglichen
Erläuterungen zum BThOG in dessen Erstfassung aus dem Jahr 1998
gewählt.
Es liegen in diesem Zusammenhang mehrere Gutachten bzw.
Stellungnahmen der letzten Jahre vor:
1) Die Stellungnahme des RLW-Dienstes für die Präsidentin des NR vom
19.12.2011 im Zusammenhang mit der Reichweite des
Interpellationsrechts.
2) Die Stellungnahme des RLW-Dienstes für die Mitglieder der Präsidial-
konferenz des NR vom März 2012 zur Klärung von Umfang und
Grenzen des Interpellationsrechts hinsichtlich der
Bundestheatergesellschaften.
3) Die Stellungnahme des RLW-Dienstes für die Präsidentin des NR vom
Mai 2012 im Zusammenhang mit der Entschließung 237/E, XXIV. GP
vom 29. März 2012 zur Klärung der Frage, auf welcher
Rechtsgrundlage eine Übermittlung der rechtlichen Evaluierung des
Bundestheaterkonzerns unter Wahrung der Verschwiegenheitspflicht
erfolgen kann.
4) Das Gutachten des em. o. Univ.-Prof. Dr. Theo Öhlinger vom 24.06
2014 für AbgNR Zinggl zur Reichweite des Interpellationsrechts.
5) Die Information des RLW-Dienstes vom 08.07.2014 Reichweite des
Interpellationsrechts aufgrund eines Gutachtens von Dr. Öhlinger
Unbestritten ist die sich aus der Stellung als Vertreter / Vertreterin sowie aus
den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen (wonach das jeweilige
oberste Leitungsorgan auch zur Aufsicht über die ihm unterstehenden
Einheiten verantwortlich ist, auch wenn dies Gesellschaften sind) ergebenden
Aufsicht des jeweiligen Bundesministers / der jeweiligen Bundesministerin
über die Bundestheater-Holding und die unter dieser zusammengefassten
Tochtergesellschaften, auch wenn dies im BThOG (anders als im
Bundesmuseen-Gesetz) nirgends ausdrücklich angeordnet ist.
Allen Stellungnahmen ist gemeinsam:
– die Verpflichtung des jeweiligen Bundesministers / der jeweiligen
Bundesministerin, den jeweiligen Auskunftsverlangen (Fragen) der
Nationalratsabgeordneten – schriftlich oder mündlich – nachzukommen;
– eine Berufung auf die Amtsverschwiegenheit wird gemäß der
herrschenden Lehre verneint, obwohl die Praxis im Nationalrat dem
massiv entgegensteht;
– die Offenlegung von sensiblen Daten („Geschäftsgeheimnisse“) findet
keine gesetzliche Deckung; ein sich daraus ergebender Schaden (für
das Unternehmen, für die Republik) könnte gegen das oberste
Leitungsorgan geltend gemacht werden;
– das Interpellationsrecht beginnt dort, wo Leitungsbefugnisse bzw.
Ingerenzmöglichkeiten der Regierungsmitglieder einsetzen, also dort,
wo eine kontrollierende Privatwirtschaftsverwaltung vorliegt (etwa
Beteiligungsrechte), nicht allerdings hinsichtlich der Tätigkeiten der
Organe der juristischen Person (etwas die im eigenständigen
Wirkungsbereich der Gesellschaften zu treffenden Entscheidungen);
insofern entspricht die sondergesetzliche Regelung des § 13 Abs. 6
hinsichtlich der Auskunftserteilung einer breiteren als ohne diese
vorgesehenen Verpflichtung.
Fraglich ist lediglich, wie weit das Aufsichtsrecht der Abgeordneten bzw. die
korrespondierende Auskunftspflicht des jeweiligen Bundesministers / der
jeweiligen Bundesministerin reicht, bzw. ob damit lediglich die konkrete
Beantwortung von punktuellen Fragen gemeint ist oder auch die Offenlegung
von (schriftlichen) Berichten, wie im Fall der Evaluierungen oder der
Aufsichtsratsprotokolle.
Die bisherige Praxis bei der Beantwortung von Fragen der
Nationalratsabgeordneten hat daher zwar immer auf diese Problematik
hingewiesen. Allerdings wurden die meisten angeforderten Auskünfte
trotzdem im Sinn einer von den Gutachtern mehrheitlich geforderten
Interessensabwägung jeweils nach Einschätzung des Vertraulichkeitsgrades
der verlangten Information sowie des mit der Zusammenstellung dieser
Information verbundenen Verwaltungsaufwands an das Parlament übermittelt.
Der auf einer Minderheitsposition aufbauenden Interpretation des Art. 52 B-VG
von Dr. Öhlinger zur Kritik an der bisherigen Usance in der
Fragebeantwortung kann daher insofern nicht gefolgt werden, als damit eine
undifferenzierte Übermittlung von Unternehmensdokumenten und Daten
begründet werden soll. Auch er merkt letztlich einschränkend an, dass die
Frage der Reichweite der parlamentarischen Kontrollrechte nicht abschließend
geklärt werden kann und dass der Wortlaut des § 13 Abs. 6
auslegungsbedürftig sei.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass die aus den
späten 90er Jahren stammende Diktion der Interpretation des § 13 Abs. 6 dem
nunmehrigen politischen Verständnis nicht mehr entspricht.
Zusammenfassend wäre daher in Zukunft
a) auf die rechtlichen Ausführungen bei der Beantwortung von Fragen zu
verzichten, und
b) die Handhabung der Beantwortungen im jeweiligen Fall einer
Interessensabwägung zu unterziehen. Diese Interessensabwägung
bezieht sich, neben der jeweiligen Einschätzung des
Vertraulichkeitsgrades der verlangten Information sowie des mit der
Zusammenstellung dieser Information verbundenen
Verwaltungsaufwands, vor allem darauf, ob die erfragte Angelegenheit
ein Thema der kontrollierenden Privatwirtschaftsverwaltung darstellt
oder die im eigenständigen Wirkungsbereich der Gesellschaften zu
treffenden Entscheidungen. Dies vor allem auch deswegen, weil mit der
Ausgliederung der Bundestheater (wie im übrigen auch bei allen
anderen Ausgliederungen) eine Einschränkung der politischen
Einflussmöglichkeiten verbunden war, um geschäftliche
Entscheidungen jenen Organen vorzubehalten, die dafür
gesellschaftsrechtlich berufen sind und deren wirtschaftlich/rechtliche
Beurteilung entsprechend den dafür vorgesehenen Kontrollen bzw.
Sanktionen zu unterwerfen ist (etwa jener des Rechnungshofs oder der
ordentlichen Gerichte).
11) Ist Ihnen bekannt, dass die Öffentlichkeit über die Bundestheater-Holding Zugang zu den Protokollen erhalten hat, während Sie dem Parlament die Übermittlung der verlangten Beschlussprotokolle verweigert haben?
12) Halten Sie es für richtig, dass Medien Zugang zu den Protokollen erhalten, dem Parlament hingegen dieser Zugang verwehrt wird?
13) Wie verhält sich eine solche Praxis im Zusammenhang mit der Transparenz in Sachen Bundestheater, die Sie gegenüber dem Parlament stets betont haben?
Antwort des Bundesministers zu den Fragen 11 bis 13:
Die Weitergabe von Aufsichtsratsprotokollen durch die Bundestheater-Holding GmbH
an Dritte, wie durch die Fragen des Abgeordneten suggeriert, ist meinem Ressort
nicht bekannt.