Der Begriff „Kultur“ löst im allgemeinen unterschiedliche Assoziationen aus. Er wird zur Bezeichnung von historischen, regionalen oder altersbedingten Lebens- und Ausdrucksformen verwendet, steht für Umgangsformen beim Essen, Wohnen, Sprechen und vieles mehr. Unter Kulturpolitik wiederum verstehen manche Menschen lediglich die politische Diskussion um die Finanzierung von Aktivitäten im Bereich von Kunst und Museen. Das vorliegende Kulturprogramm beschreibt den Zugang der Grünen zu den Begriffen und leitet damit Aspekte für die Gesellschaftspolitik ab.

 1. Kulturbegriff

Menschen ordnen die Welt, um sich zurecht zu finden. Über gemeinsame  Interessen und Werte finden sie sich zu Gruppierungen mit typischen Ausdrucksformen, Regeln, Gewohnheiten, etc. Damit einhergehend ergeben sich Differenzen zu anderen Gruppierungen mit anderen Werten oder Interessen. Die Übereinkünfte und ihre Manifestationen werden im folgenden als „Kultur“ bezeichnet. Gemeinschaft und Kultur sind einander konstituierende Größen. So wie die Gruppe ihre Kultur entwickelt, trägt die Kultur zur Identitätsbildung der Gruppe bei. Die Wechselwirkung ist zudem über den Austausch mit anderen Kulturen ein offener und dynamischer Prozeß, bei dem sich auch die teilhabenden Personen ändern.

 

Deshalb und weil sich in größeren Gruppen und Gesellschaften Subkulturen entwickeln, die nicht notwendigerweise kompatibel zueinander sein müssen, sollte ab einem bestimmten Grad der Ausdifferenzierung gar nicht mehr von „der Kultur“ einer Gesellschaft als statischer Identität gesprochen werden. Die Rede von „der Kultur“ einer Gesellschaft dient lediglich dazu, hegemoniale Ansprüche einer mächtigen Gruppe in dieser Gesellschaft festzuschreiben.

 

Die Grünen treten für die Koexistenz und den ständigen Austausch der Kulturen ein und tragen mit eigenen Vorstellungen zur Vielfalt bei. Das Recht, selbst gewählte kulturelle Ausdrucksformen zu leben wird von den Grünen unterstützt bis zu jenem Grad, wo Grund- und Freiheitsrechte einzelner gefährdet werden.

 

2.      Aufgaben öffentlicher Kulturpolitik

Treffen Kulturen mit einander widersprechenden Interessen aufeinander, sind Vereinbarungen für das friedliche Zusammenleben erforderlich. Diese Regeln schaffen ihrerseits eine umfassendere Kultur. Minimale Einschränkungen, die mit der Anerkennung der Regeln und Vereinbarungen entstehen, garantieren umgekehrt maximal mögliche Freiheiten zur Pflege der heterogenen, gruppenspezifischen Interessen.

 

Die Aufgabe der kommunen Kulturpolitik ist es, die Ausübung und Verbreitung kultureller Praktiken sowie deren Kritik und Diskussion jenseits der Vorstellungen einzelner oder einzelner Gruppen zu ermöglichen.

Heterogene Interessen (etwa im Nationalstaat oder im Staatenverband der EU) lassen sich demgemäß nicht ins enge Korsett verordneter Identität pressen. Eine Kulturpolitik, der Differenzierung wichtiger ist als Uniformierung wird gerade die Skepsis und das kritische Potential gegenüber dem jeweils als „normal“ und verbindlich Bezeichneten stärken.

 

Staatliche Kulturpolitik besteht nicht allein aus der Vergabe von Geldern. Andere Regulative sind genauso zu beachten: die Einrichtung geeigneter Verbreitungsmöglichkeiten, die Herstellung von Produktions- und Rezeptionsbedingungen (dazu gehört auch die Ausbildung) für alle, die daran interessiert sind, sowie eine laufende Diskussion über die öffentlichen Bildungsinhalte (welche Werte werden warum vermittelt).

 

Die Wörter „Förderung“ oder „Subvention“ treffen nur dort zu, wo Personen oder Institutionen in ihrer Entfaltung unterstützt werden. Öffentliche Gelder werden aber auch im Sinne von Aufträgen vergeben. In solchen Fällen sollte nicht von Förderung oder Unterstützung gesprochen werden, weil andernfalls die Finanzierung als Akt staatlicher Wohltätigkeit mißverstanden wird, wo beauftragte Leistungen bezahlt werden.

 

 

  1. Prinzipien grüner Kulturpolitik

Zu den zentralen Anliegen grüner Kulturpolitik gehört die Verbreitung ihrer Grundwerte und Prinzipien. Dazu zählen die Menschenrechte, die Solidarität mit Schwächeren, die Selbstbestimmung des Individuums, das Streben nach Gerechtigkeit sowie die nachhaltige Sicherung grundlegender Lebensbedingungen und ökologischer Ressourcen. Diese Werte gelten den Grünen nicht als notwendige Bedingungen der kulturellen Äußerung, sondern als Beitrag, den sie in die Gesellschaft einbringen möchten.

 

 

  1. Staat, Privat und Dritter Sektor

Kulturpolitik wird nicht nur vom Staat, der Europäischen Gemeinschaft, den Ländern und Gemeinden betrieben, sondern auch von Privaten. Wenngleich private Kulturinteressen häufig Öffentlichkeitscharakter besitzen (wenn sie nämlich von der Öffentlichkeit wahrgenommen und diskutiert werden), unterscheiden sie sich doch von den öffentlichen Kulturen der demokratischen Gemeinschaft, die sich aus Angeboten, Appellen und Kritik entwickeln. Im Unterschied zu diesen lassen sich Kulturen mit Privatinteressen nicht wirksam kritisieren. Zudem ist der Zugang zu ihnen selektiert und hängt oft genug von finanziellen Möglichkeiten ab. Im öffentlichen Interesse und mit öffentlichen Mitteln bewahrte oder produzierte Kultur muß für alle zugänglich sein. Grüne Kulturpolitik fordert daher freien Zutritt zu öffentlichen Einrichtungen, wo immer es möglich ist.

 

Die öffentliche Hand ist aufgefordert, ihre Aufgaben dort deutlich wahrzunehmen, wo gegenüber privaten Interessen jene der Gemeinschaft Vorrang haben. Werden öffentliche Kulturinteressen seitens der dafür gewählten Verantwortlichen nicht mehr wahrgenommen, nimmt der private Einfluß zu. Weltweit übernehmen – auch in der „Kultur“ – immer mehr private Unternehmen Aufgaben des Staates. Undurchsichtige Strukturen von Korporationen ohne jede Rechenschaftspflicht bestimmen die kulturellen Ausrichtungen, die sich an Quoten und kurzfristigen Erfolgen mehr orientieren als am Experiment, an Kritik oder erst langfristig Wirkendem. Ziel privatwirtschaftlicher Kulturen ist meist der wirtschaftliche Erfolg. Der wiederum ist nicht das erste Anliegen der Gemeinschaft.

 

Privatisierungen sind dort angebracht, wo sie demokratisch erarbeitete und gemeinnützige Kulturen nicht gefährden. Städte, Länder, der österreichische Staat und die Europäische Gemeinschaft sind aufgefordert, auch in kulturellen Belangen den nachhaltig gesellschaftlichen Nutzen im Auge zu behalten. Dazu gehört die Stärkung von kulturellen Aktivitäten, die sich – auch außerhalb der Parteipolitik – mit öffentlichen Phänomenen und Problemen auseinandersetzen, die Verwirklichung von Minderheiten-programmen sowie die experimentelle Entwicklung neuer, noch nicht eingeführter Praktiken, die nicht marktwirtschaftlichen Prinzipien gehorchen. Diese kulturellen Aktivitäten brauchen gelegentlich Investitionen, die der Markt aufgrund seiner Gesetzmäßigkeiten nicht tätigt.

 

Besonders der gemeinnützige Bereich des „Dritten Sektor“ hat neben den großen Gestaltungskräften Markt und Staat, die beide Mängel aufweisen, wenn es um aktive Beteiligung geht, in der öffentlichen Kultur an Bedeutung gewonnen. Über Non-profit-Organisationen, Vereine und Initiativen treten die Menschen als selbständige, gesellschaftliche Akteure auf und bestimmen ihre kulturellen Parameter: Identität und Differenz, Individualität und Kooperation, Freiheit und Abhängigkeit. Sie tragen zum Gleichgewicht zwischen den politischen Instrumentarien „Macht, Geld und Solidarität“ bei und ermöglichen eine neue Vorstellung von Arbeit und Gesellschaft.

Der Dritte Sektor wird als bereichernde Kraft allerdings nur dann wirksam, wenn er ungebunden von direktem oder indirektem Einfluß der Geldgebenden arbeiten kann.

 

5. Funktionen der Kultur

Viele Menschen denken über das Verhältnis von Ästhetik und Ethik nach, über die Beziehung zwischen Schaffenden und Konsumierenden, über die Befriedigung oberflächlicher Konsumbedürfnisse, vor allem aber über die vielfältigen Funktionen von Kultur und Kunst. Dementsprechend gibt es ein Publikum, das nicht nur oberflächlich konsumiert, sondern das die impliziten, sozialpsychologischen und ethischen Botschaften jeder Kulturproduktion erkennt und mit den eigenen Werten vergleicht. Die Grünen betonen die starken Zusammenhänge zwischen kulturellen und ethischen Ausprägungen, zwischen Daseinsentwürfen und Stilformen. Mit Kultur kann nicht nur, sondern wird immer Gesellschaftspolitik gemacht. Beispielsweise setzen sich nach wie vor männliche Identitäten und Ausdrucksformen durch, wenn es um kulturelle Ausprägungen geht. Das zeigt sich gerade bei Jugendkulturen und ist auf die mangelnde Reflexion der Geschlechterrollen zurückzuführen.

 

Ziel grüner Kulturpolitik ist es, die unterschiedlichen Funktionen kultureller Praktiken bewußt zu machen und Kunst und Kultur nicht nur aus bildungsbürgerlicher Sicht als eine Ansammlung von Namen, Wissen und Daten zu vermitteln, sondern unter den Gesichtspunkten: Wer macht unter dem Kulturbegriff was, für wen, mit wem und warum?

 

Rentabilität, Standortverbesserung oder Repräsentation sind nur einige der möglichen Funktionen von Kultur. Diese Funktionen werden seitens der Kulturpolitik immer noch unverhältnismäßig stark betont.

 

  • Das Bewahren und Reproduzieren traditioneller Kulturgüter hat beispielsweise in der österreichischen wie in der europäischen Kulturpolitik einen überzogen höheren Stellenwert als das aktuelle Schaffen.

– Den Produktionsmöglichkeiten werden größere Freiheiten eingeräumt als den Vertriebsmöglichkeiten.

– Der geniale Einzelschöpfer und sein einzigartiges Werk wird den gemeinsam erarbeiteten Leistungen vorgezogen.

– Dem materiellen Werk wird mehr Achtung entgegengebracht als der Idee oder dem Prozeß.

 

Eine neue Kulturpolitik wird andere Funktionen kultureller Praxis, die heute noch unterbelichtet sind, diesen gleichstellen. Sie setzt sich für eine stärkere Beachtung gemeinsamer Leistungen, der Ideen und Prozesse ein sowie für die Verbreitung unterschiedlicher Vorstellungen von Kultur.

 

 

  1. Das kulturelle Erbe

Reste vergangener Kulturen werden nachfolgenden Gemeinschaften im Sinne eines Generationenvertrages zur Aufbewahrung überantwortet. Die Übernahme dieser Aufgabe und die Kriterien der Auswahl, denen zufolge die Reste als Dokumente bewahrt werden, müssen  immer wieder diskutiert und festgelegt werden. Eine Bewahrung macht vor allem Sinn, wenn die Begründung dafür vermittelt wird. Außer den materiellen Kulturgütern sind auch Bräuche, Sprachen, Eß- und Kochgewohnheiten, kurzum alle kulturellen Äußerungen für eine Bewahrung in Betracht zu ziehen.

 

Die Auswahlkriterien, was aufbewahrenswert und was verzichtbar erscheint, hängen eng mit dem generellen Verständnis der Funktionen von Tradition und Geschichte zusammen. Das Überlieferte gibt ja nicht nur Auskunft darüber, welche Gesellschaften was, wie hervorgebracht haben, sondern auch warum sie manches bewahrt und auf anderes verzichtet haben. Alter allein ist jedenfalls kein Grund, um zu Bewahren. Neues zu schaffen allein ist umgekehrt kein Grund, um Bewährtes zu vernichten. Um Neues zu ermöglichen oder Altes zu bewahren, ist manchmal politische Weitsichtigkeit erforderlich, die über Mehrheitsentscheidungen nicht grundsätzlich gewährleistet werden kann. Hier tritt die Verantwortung politischer Repräsentation hervor, die weit über die gegenwärtigen Interessen hinaus auch die Interessen zukünftiger Generationen berücksichtigen muß.

 

 

7. Demokratie und Transparenz

Kulturen als dynamische Prozesse werden nicht zuletzt von jenen gesteuert, die sich darum im ständigen Diskurs bemühen. Das führt zur Erkenntnis, daß Mitbestimmung dort angebracht ist, wo sich Betroffene informieren, engagieren und mitbestimmen wollen. Die Grünen begrüßen Beteiligungsmodelle als Mittel zur Entscheidungsfindung auch bei kulturellen Fragestellungen, wenn die öffentliche Verpflichtung, gleichen Wissensstand über die unterschiedlichen Vor- und Nachteile der je anstehenden Entscheidung zu verbreiten, eingelöst werden kann. Gemeinsame Willensbildung benötigt ausreichend Zeit. Unnötiger Zeitdruck ist für die demokratische Willensbildung ein unangebrachtes Herrschaftsmittel und verringert die Zahl der qualifiziert Teilnehmenden.

 

Eine lebendige Demokratie wird nicht müde, immer neue Möglichkeiten der Mitbestimmung zu entwickeln und zu erproben. Viele Bereiche der Kultur eignen sich in diesem Sinn als Experimentierfelder. Brauchbare Methoden und Modelle demokratischer Rezeption, Auswahl und Produktion lassen sich als Neuerungen dann auf andere Gebiete des Zusammenlebens übertragen.

 

Die Grünen treten in diesem Zusammenhang vehement für die Berücksichtigung von Minderheiteninteressen ein. Dies gilt nicht nur für den ungehinderten Zugang zu kulturellen Aktivitäten, es gilt auch für die Verwirklichung sinnvoller Pläne, die nicht immer mehrheitsfähig sein können.

 

  1. Medienpolitik

Kulturen und die dafür notwendigen „Bilder“ werden über Öffentlichkeit erst geschaffen. Kulturpolitik ist daher immer im Zusammenhang mit Medienpolitik und den Zugangsbedingungen zu den Medien zu verstehen.

 

Die gegenwärtigen medienrechtlichen Rahmenbedingungen erlauben Durchsetzungsstrategien, die weder der Chancengleichheit noch dem demokratischen Wettbewerb um Anerkennung entsprechen. Das Nebeneinander von kulturellen Formen und ihrer Kritik wird durch die wachsende Machtkonzentration der Medien und deren Konvergenzen eingeschränkt, ja geradezu verhindert. Dieser Entwicklung muß entgegen gearbeitet werden. Eine Demokratisierung der Verbreitungsmöglichkeiten, die Schaffung vieler, voneinander unabhängiger Vertriebskanäle und öffentlicher Diskussionsforen sind für eine pluralistische Gesellschaft unabdingbar. Die Vergabe von Sendefrequenzen darf daher nicht ausschließlich aus kommerziellen Gründen erfolgen und der Zugang zu Kommunikationsdiensten muß universal gewährleistet werden.

 

Die Grünen fordern zudem eine offensive Aus- und Weiterbildungspolitik im Bereich digitaler und elektronischer Medien unter besonderer Berücksichtigung von Medienkompetenz.

 

 

  1. Kunst

Das Wort Kunst wird von Menschen unterschiedlich verwendet, ändert laufend seine Bedeutung. Für eine allgemeingültige, verbindliche Definition des Wortes lassen sich weder notwendige noch hinreichende Bedingungen finden. Doch stehen hinter den verschiedenen Vorstellungen von Kunst immer auch Weltanschauungen und Lebensentwürfe. Insofern ist die Kunst ein zentraler Teil der Kultur. Wichtig für eine grüne Kunstpolitik ist, daß die Wahlmöglichkeiten gewährleistet bleiben und keine Macht allein Kunst definiert.

 

Der Freiraum, der Künstlerinnen und Künstlern vom Staat gewährt wird, ist ein Maßstab für seine Liberalität und seinen Wunsch nach Pluralität. Dieser Freiraum zeigt sich aber nicht nur in einer selbstverständlichen Anwendung des Verfassungsartikels zur Freiheit der Kunst. Er zeigt sich vor allem in der Förderung kritischer Diskurse. Der Artikel wurde ja eingerichtet, um den gesellschaftlichen Status quo kritisieren zu können. Dennoch wird diese Freiheit immer wieder von vormoderner Agitation oder wirtschaftsliberalem Rentabilitätsdenken attackiert. Die Grünen setzen sich für eine Kunst ein, die sich ihrer aktiven gesellschaftspolitischen Rolle bewußt ist und die ihr zustehenden Freiheiten nutzt. Problemorientierte Beteiligungen an gesellschaftsrelevanten Entwicklungen sind die große gesellschaftliche Chance der Kunst. Darüber hinaus erhoffen sich die Grünen auch aus der Kunst kommende Erkenntnisse und Experimente für reale Handlungsfelder.

 

Zielvorstellungen in der Kunst pendeln immer zwischen den Polen Distanz zur und Relevanz für die Gesellschaft. Dieser Gegensatz löst sich auf, wenn die „Distanz“ als methodische Strategie gesellschaftlich relevanter Kunstproduktion erkannt wird. Sie erhält ihre Wirkung ja gerade erst durch die Angabe, wogegen sie aufgebaut wird. Distanzen als Schutz vor finanzieller Gängelung oder zu Machtapparaten sind Voraussetzungen, die für die Kunst zu gewährleisten sind.

 

Eine Qualitätsbeurteilung von Kunst als Alternative zu quantitativen Kriterien wie Veranstaltungshäufigkeit oder zahlenmäßige Auslastung kann nur über die Definition der Absichten, Methoden und Erfolgskriterien der Kulturschaffenden erfolgen. Demgemäß entwickeln sie die Kriterien des Erfolgs ihrer Arbeit selbst. Nur wenn ihre Intentionen und das Einlösen dieser Absichten bekannt sind, können sie entsprechend beurteilt werden. Daraus läßt sich die Bedeutung der vermittelnden Kunsttheorie ableiten.

 

 

  1. Urheber- und Verwertungsrechte

Eigentum ist die rechtliche Befugnis, eine Sache innerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten nach Gutdünken zu verwenden und Dritte aus dem Gebrauch auszuschließen. Im Prozeß neoliberaler Kulturökonomie geht allerdings das geringe Eigentum vieler systematisch in das massive Eigentum einiger weniger über. Firmen, Produzenten und Konsumenten beginnen deshalb eine zentrale Wirklichkeit des modernen Lebens in Frage zu stellen: nämlich den Austausch von Eigentum zwischen Käufern und Verkäufern auf einem Markt. Grüne Kulturpolitik greift diese Diskussion auf: Sind es tatsächlich die Rechte der Künstlerinnen und Künstler oder sind es die Verwertungsrechte der Kulturindustrie, die mit den Urheber- Folge- und Verwertungsrechten geschützt werden? Die Grünen treten aufgrund der sichtbaren Fehlentwicklungen für ein generelles Überdenken des Eigentumschutzes dort ein, wo kulturelle Werte kollektives Eigentum geworden sind. Das schließt auch die Infragestellung der Regelung ein, daß kulturelles Erbe siebzig Jahre lang über den Tod der Urheber hinaus geschützt wird. Und es schließt einen besseren Schutz von Ideen und Verfahren gegenüber ihren manifesten Verwirklichungen ein.

 

Mittelfristig ist die Einleitung einer Diskussion über die gesellschaftliche Funktion des Urheberrechts unabdingbar. Fürs erste braucht die künstlerische Produktion eine demokratische und transparente Gestaltung der Verwertungsgesellschaften, eine Reform der gültigen Verteilungsschlüssel sowie die gesetzliche Einrichtung eines Urhebervertragsrechtes.