Jubel im Rathaus. Ja, jetzt sind wir wieder wer. Wir sind wieder Herren im eigenen Haus. Die UNESCO hat‘s kapiert, wir brauchen keine völkerverbindende Organisation, die aufpasst. Das machen wir selbst. Es ist immer noch unser Stadtzentrum, dass wir verpatzen können wie es uns passt.

Auch was ein Welterbe ist, bestimmen wir. Die tausend obergscheiten internationalen Fachleute der UNESCO wohnen nicht hier, wissen nicht, wie sich der Blick vom Belvedere optimieren lässt, können sich den Charme ausgebauter Dachböden kaum vorstellen, der die langweilig geschlossene Dachlandschaft aufmischt. Wie können die Qualitäten bewerten, wenn sie noch keine Gelegenheit hatten, von einem Hochhaus im Zentrum runter zu blicken, auf das kaputte Welterbe heute und ein neues großartiges morgen?

Und wenn die UNESCO unseren alten Stadtkern bloß mit anderen historischen Städten vergleicht, mit Rom, Prag, Lyon, vergisst sie leider, dass irgendwer irgendwann anfangen muss, mit dem Beseitigen von Schandflecken. Naturgemäß am besten mit Rasterarchitektur. Sonst wäre das nie was geworden.

Die UNESCO will einfach nicht sehen, wie sehr uns die großen internationalen Spekulanten mittlerweile beneiden. Einer von ihnen hat es just in seiner eigenen Stadt geschafft, was anderen nirgendwo gelungen ist. Er hat erfolgreich auf ein Grundstück spekuliert, das von der UNESCO geschützt werden wollte. Sowas geht eben nur hier. Andere geschützte Städte lassen das nie zu. Noch nicht. Aber sie werden von Wien lernen. Jetzt wissen sie ja, dass es und wie es geht. Und drum ist es kein Zufall, wenn auch Venedig mittlerweile mit Isay Weinfeld arbeiten möchte. Geplant ist eine hochkarätige Architektur mit zwei 60 Meter hohen Luxuswohntürmen hinter der Kirche Santa Maria de la Salute. In dessen Schatten sollen öffentliche Bocciaturniere stattfinden, wenn er nicht vermietet wird.

Und wie einfach das in Wahrheit geht. Der Risikoinvestor kauft ein Grundstück mitten in der Stadt weit unter seinem Wert. Niemanden interessiert das, weil auf dem Grundstück für die nächsten fünfzig Jahre ohnehin ein Eislaufverein gepachtet hat und weil das Grundstück Teil des Welterbes ist, auf ihm also nicht höher als 43 Meter gebaut werden darf. Der Rest ist Lobbyieren. Kontakte zu den Medien, Geld, Einfluss auf die Politik. Zwar dürfte der Einfluss auf die Politik in Wien eine Spur leichter zu bewerkstelligen sein, als in vergleichbaren Städten, aber dieses Argument muss niemand übertreiben.

Dafür ist Wien sonst wie alle anderen Städte. Und wie eine kleine Ortsgemeinde in Niederösterreich, in der sich ein Bürgermeister von der Raiffeisenbank ohne Rücksicht auf das Gesamtbild irgendwas in den gewachsenen Ortskern bauen lassen muss.

Okay, Wien und Österreich, beide haben ihre völkerrechtlichen Verpflichtungen verletzt. Aber dass die UNESCO deswegen böse ist, muss auch nicht sein. Bei der Konferenz in Krakau soll jemand gesagt haben, wir wären Vollidioten. Wir könnten einen Eislaufplatz nicht sanieren ohne aufs Welterbe zu verzichten. Und wir sollten dann halt so weiter machen. Die Stadt weiter ruinieren, sie werde bald aussehen wie jeder Vorort von Bukarest.

Also bitte. Eines Tages wird uns die Welt wieder beneiden. Weil wir ab sofort nämlich das Welterbe von morgen bauen. Mit einem großen Wurf eines internationalen Stararchitekten haben wir nur begonnen. Aber alles kann halt niemand haben und wir müssen dafür Opfer bringen. Wer ein neues Welterbe haben möchte, muss auf das alte verzichten. Ganz ruiniert wird es eh nicht. Wir sind ja nicht in Aleppo, Damaskus oder Sana´a. Dort wird tatsächlich zerstört. Dort kann die UNESCO was machen. Dort kann sie sich um ihre eigentliche Aufgabe kümmern. Um das wirklich gefährdete Welterbe. Wir machen nur hübsch. Bauen für die nach uns ein bisschen um. Damit sie es richtig nett haben zwischen coolen Dachausbauten, verdichteten Häusern, hohen Rasterkisten. Sie sollen später in einem Welterbe leben, das seinem Namen Ehre macht. Und der Bürgermeister will dazu nächstes Jahr einen Antrag an die UNESCO formulieren. Er weiß ja wie das geht. Ihm ist es schließlich schon einmal gelungen, dass Wiens Zentrum das ehrenvolle Prädikat Welterbe erhalten hat. Er ist unser Mann bei der UNESCO. Ihm vertrauen wir.

Jubel im Rathaus. Gut gemacht Herr Bürgermeister. Gut gemacht Frau Stadträtin. Gut gemacht Herr Bundeskanzler, Herr Minister. Ach so, die beiden letzteren wussten von nichts. Hatten wichtigere Staatsgeschäfte zu erledigen. Waschen sich jetzt die Hände. Na vorbei kommen könnten sie aber trotzdem auf einen Sprung. Zum Feiern…