Eine schlaue Geldbeschaffung  seitens der Bundesregierung zur Finanzierung der Steuerreform  ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf den Konsum von Kunst und Kultur.  Die Eintrittskarten für Theater, Kinos, Museen oder der Ankauf von Büchern, Zeitschriften und  Kunst soll um 10%  erhöht werden.

Begründet wird die Absicht mit dem sonderbaren Argument, Kunst und Kultur werde vor allem von der etablierteren und daher  wohlhabenderen Population konsumiert, deshalb sei es nur recht und billig, dass die dafür nicht weniger zahlt, als für alle anderen Güter.

Das  Argument indes pervertiert  die Aufgabe des Staates für den sozialen Ausgleich zu sorgen. Mit ähnlicher Argumentation wird von wirtschaftsliberalen Kreisen immer wieder die Einhebung von Studiengebühren verlangt.  Da es aber Ziel im Interesse einer Gemeinschaft sein sollte, für den möglichst breiten Zugang an österreichischen Universitäten zu sorgen, ist jede finanzielle Hürde diesem Ziel hinderlich. Nur wer der Ansicht ist, dass Studien wie andere Dienstleistungen auch, dem Prinzip Angebot und Nachfrage gehorchen soll, wird mit der Konsequenz, wer Geld hat darf lernen einverstanden sein. Das entspricht dem System der Privatuniversitäten.

Wird die Kultur dem Wirtschaftsprinzip von Angebot und Nachfrage unterworfen, dann wird die vor allem von denen konsumiert, die das entsprechende Kleingeld übrig haben.  Wer hingegen der Ansicht ist, Kunst,  Kultur und Information sind Grundlagen der Entwicklung des demokratischen und ethischen Diskurses, wird die Teilnahme nicht vom Geld abhängig machen. Das ist jetzt noch Konsens in fast allen europäischen Ländern, in denen kulturelle Dienstleistungen nur mit ermäßigter Mehrwertsteuer belastet sind.

Das Grundübel jeder Mehrwertsteuer ist ihre mangelnde Progression. Alle zahlen den gleichen Betrag für die gleiche Leistung. Damit werden auch die zur Kassa gebeten, die weder über Einkommen noch Vermögen verfügen. Die zahlen genauso viel Steuern für Waren und Dienstleistungen, die sie zum Leben benötigen, wie alle die gut verdienen oder betucht sind.  Besser Verdienende verkraften Preiserhöhungen allerdings leichter als Haushalte, die sich genau überlegen müssen, ob sie um fünfzig Euro besser ins Theater gehen oder dem Kind einen Mantel kaufen.

Was wird bei einer Verteuerung des kulturellen Konsums also passieren? Der breite Zugang zu Kunst wird sich verengen, die weniger Betuchten werden sich aus dem kulturellen Diskurs ausklinken und dann erst tritt das ein, was als Argument für diese Steuerreform herhalten musste. Weil es die besser Situierten sind, die Kunst und Kultur konsumieren, sollen die auch dafür bezahlen. Bleibt nur noch die Frage, was ist mit den anderen? Und warum steckt der Staat so viel Geld in seine Bundestheater und Museen, wenn die für die Wohlhabenden da sind?

Und was ist mit den Kinos? Sind die nicht eine der wichtigsten sozialen Einrichtungen für Jugendliche? Und sind diese Jugendlichen eine Gruppe von Menschen, die Geld hat?  Mit jeder Erhöhung der Eintrittspreise wird auch der Kinobesuch zum Luxus, den sich weniger gönnen werden.

Für seine Steuerreform braucht der Staat Geld. Aber was ist das für eine Reform, die Geld vorher wegnimmt, um es dann großzügig zurück zu geben? Noch etwas: Der finanzielle Nutzen einer Mehrwertsteuererhöhung aus der Kultur wird auf etwa 50 Millionen geschätzt. Das ist, in etwa der Betrag, den der Kulturminister für die dringende Sanierung des Kulturbudgets, das seit vielen Jahren trotz erhöhter Kosten für Personal und Infrastruktur konstant bleibt. Besonders lustig wäre es, wenn das Kulturbudget in den kommenden Jahren um 50 Millionen erhöht werden würde, dann wäre es nämlich in Wahrheit von denen finanziert worden, die Kultur nutzen. Mit dieser Einstellung könnten dann auch die Benutzung von Parks mit Eintrittspreisen belegt werden und irgendwann brauchen wir gar keine staatliche Umverteilung mehr: wer nutzt der zahlt. Noch schlimmer aber wäre es, wenn das Kulturbudget um diesen Betrag gar nicht erhöht werden würde. Dann nämlich erhalten die Institutionen den Ausgleich nicht, der durch die Teuerung entstanden ist, aber sie werden zudem auch noch an Publikum verlieren. Ein Publikum, das für Kunst und Kultur zu gewinnen, Aufgabe des Staates sein sollte. Was eigentlich sagt der Kulturminister zur Idee einer Erhöhung der Mehrwertsteuer für kulturelle Ausgaben?

Erschienen Standard, Die Presse