Seit Monaten weigern sich Mitglieder der Bundesregierung, parlamentarische Anfragen hinsichtlich der Vorgänge in den Aufsichtsräten der Bundestheater-Holding, des Burgtheaters sowie der Staats- und der Volksoper zu beantworten – und dies, obwohl die angesprochenen Ministerien VertreterInnen in die Aufsichtsräte dieser Institutionen entsenden und § 13 Abs 6 BThOG eine Auskunftsverpflichtung explizit festschreibt.

Einem Gutachten von Univ.-Prof. Dr. Theo Öhlinger zufolge ist davon auszugehen, dass „alles, was Gegenstand der Auskunftsverpflichtung der Aufsichtsräte gemäß § 13 Abs 6 BThOG ist, auch der ‚Interpellationspflicht‘ des zuständigen Bundesministers unterliegt“ (Gutachten Öhlinger vom 24.06.2014). Datenschutzgründe mögen die Auskunftsverpflichtung einschränken, „[m]it diesem Argument lässt sich jedoch nicht eine pauschale Ablehnung der Antwort […] begründen“ (ebd.). Und ebenso wenig lässt sich aus § 13 Abs 6 BThOG ableiten, „dass […] keine Verpflichtung ‚zur Offenlegung von schriftlichen Berichten beziehungsweise Teilen daraus‘“ (ebd.) bestehe – mit diesem Argument hat das Kulturministerium die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der Grünen vom Februar 2014 verweigert (843 AB/XXV. GP).

Ebenso wie Prof. Öhlinger vertritt auch der Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftliche Dienst des Parlamentes die Auffassung, „dass es keine Anhaltspunkte dafür gibt, diese Bestimmung [Anm.: § 13 Abs 6 BThOG] einschränkend zu interpretieren, und dass davon auszugehen ist, dass der zuständige bzw. entsendende Bundesminister zur Einholung von Auskünften verpflichtet ist“ (Gutachten des RLW-Dienstes vom 08.07.2014).

Laut Protokoll der Präsidialkonferenz vom 14.11.2014 besteht Einvernehmen darüber, „dass das zuständige Mitglied der Bundesregierung zur Beantwortung parlamentarischer Anfragen im Hinblick auf Beschlüsse der in leg. cit. genannten Aufsichtsräte grundsätzlich verpflichtet ist“. Dies haben Sie den Ministerien auch am 20. November 2014 mitgeteilt, wie wir einer Anfragebeantwortung des Bundesministers für Finanzen (2556/AB, XXV. GP) entnehmen.

All diese Argumente haben die betroffenen Bundesminister aber nicht davon abgehalten, das Interpellationsrecht des Nationalrates weiterhin zu missachten, zuletzt in einer Anfragebeantwortung des Bundesministers für Finanzen vom 05.12.2014. Aus Sicht der unterfertigenden Abgeordneten sind Klarstellungen von Ihrer Seite in höchstem Maße angezeigt.

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

1) Welche Schritte werden Sie setzen, um dem Interpellationsrecht im Zusammenhang mit den Anfragen zu den Protokollen der Bundestheater zum Durchbruch zu verhelfen?

Antwort der Präsidentin zu den Fragen 1 und 6:

Wie Sie selbst in  Ihrer an mich  gerichteten Anfrage feststellen,  wurden von mir bereits mehrere
Veranlassungen  getroff en,  um  – insbesondere  im  Hinblick  auf  den  gegenständlichen
Fragenkomplex – die Reichweite des parlamentarischen Fragerechts gegenüber Mitgliedern der
Bundesregierung  klarzustellen.  Einerseits  habe  ich  den  Rechts-,  Legislativ- und
Wissenschaftlichen Dienst mit der Fragestellung mehrfach befasst und andererseits habe ich auf
Ersuchen  der  Präsidialkonferenz  am  20.  November  2014  ein  Schreiben  an  alle  Mitglieder  der
Bundesregierung  gesandt,  in  welchem  diese  über  den  Inhalt  der  gemeinsamen  rechtlichen
Darstellung des BKA-Verfassungsdienstes und der Parlamentsdirektion über die Reichweite des
parlamentarischen Fragerechts informiert  wurden.
Aus  dieser gemeinsamen Einschätzung ergibt  sich insbesondere,  dass § 13  Abs. 6  BThOG  die
Aufsichtsräte  gegenüber  dem  Bundeskanzler  bzw.  gegenüber  dem  entsendenden
Bundesminister/der entsendenden Bundesministerin über die Beschlüsse des Aufsichtsrates zur
Auskunft serteilung verpflichtet bzw. dass das zuständige  Mitglied der Bundesregierung aufgrund
einer parlamentarischen Anfrage im Rahmen seiner rechtlichen Ingerenz verpflichtet ist, allenfalls
auch  weitere  Auskünfte  vom  Aufsichtsrat  zu  verlangen.  Die  Beantwortung  einer
parlamentarischen  Anfrage  muss  aber  nicht  im  Wege  der  Bekanntgabe  des  Wort lauts  von
Beschlüssen des Aufsichtsrates oder durch Übermittlung der Protokolle selbst erfolgen.
Im  Übrigen  verw eise  ich  auf  das  Schreiben  an  die  Mitglieder  der  Bundesregierung  vom
20. November 2014 (siehe Antwort zu Frage 3).

2) Welche Argumente rechtfertigen die Missachtung der Interpellationsrechte des Nationalrates durch den Bundesminister für Finanzen und den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien nach der von der Präsidiale abgesegneten Rechtsauffassung des parlamentarischen Rechts-, Legislativ- und Wissenschaftlichen Dienstes und des Verfassungsdienstes im BKA?

Antwort der Präsidentin:

Die Rechtfertigung der formalen und inhaltlichen Richtigkeit und Vollständigkeit der Beantwortung
parlamentarischer  Anfragen  obliegt  – insbesondere  auch  unter  Beachtung  der  zitierten
gemeinsamen Rechtsansicht des RLW-Dienstes der Parlamentsdirektion und des BKA-VD – dem
befragten Mitglied der Bundesregierung.

3) Was genau war der Inhalt des Briefes, den Sie am 20.11.2014 in dieser Angelegenheit an die Mitglieder der Bundesregierung geschickt haben?

4) Haben Sie mit dem Bundesminister für Finanzen oder dem Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien in dieser Angelegenheit gesprochen?

5) Was waren die Resultate dieser Gespräche?

Antwort der Präsidentin zu den Fragen 3, 4 und 5:

Das Schreiben ist in der Anlage angeschlossen. Darüber hinausgehend habe ich mit den beiden
genannten Bundesministern keine Gespräche in dieser Angelegenheit geführt .

6) Welche Schritte werden Sie setzen, sollten der Bundesminister für Finanzen und den Bundesminister für Kunst und Kultur, Verfassung und Medien die Interpellationsrechte des Nationalrates in Fragen der Bundestheater weiterhin missachten?

Anlage:

Wien,  20.  November 20 14
GZ.  1 10 10.0020/23-L 1. 1/20 14

Sehr geehrt er  Herr  Bundeskanzler!

I n  der  Präsidialkonferenz  am  17.  Oktober  20 14  wurde  am  Beispiel  der  parlamentarischen
Anfragen  zum  Bundestheaterkomplex die  Frage  des  Ausmaßes  des  Interpellationsrechtes  –
insbesondere  im  Hinblick  auf  die  Tätigkeit  selbständiger  juristischer  Personen  und  deren
Organe  – diskutiert.  Die  Parlamentsdirektion  (Rechts-,  Legislativ- und  Wissenschaft licher
DienstlRLWDienst)  wurde  ersucht,  die  damit in  Zusammenhang  stehenden  Rechtsfragen  mit
dem  Verfassungsdienst  des  Bundeskanzleramtes  zu  erläutern  und  darüber  einen  Bericht  zu
geben.  Darin  wird  ersichtlich,  dass  kein  Unterschied  in  der  Rechtsauff assung  zwischen  den
beiden Rechtsdiensten über  Umfang und Grenzen des  Interpellationsrechtes besteht und dieser
Bericht  wurde  in  der  Präsidialkonferenz  am  14.  November 20 14  zur  Kenntnis  genommen.
Weiters  wurde  ich  von  den  Mitgliedern  der  Präsidialkonferenz  ersucht,  die  Mitglieder  der
Bundesregierung  über  den  Inhalt  der  gemeinsamen  Darstellung  des  BKA-VD  und  der
Parlamentsdirektion zu informieren. Diesem  Ersuchen komme ich hiermit sehr gerne nach:

Rechtliche  Beurt eilung  der  Reichweite  des  parlamentarischen  Frage- und  Kontrollrechtes
gern . Art. 52 B-VG:
Nationalrat  und  Bundesrat  sind  gemäß  Art.  52  B-VG  berechtigt,  die  Mitglieder  der
Bundesregierung  über  alle  Gegenstände  der  Vollziehung  zu  befragen.  Das  im
Art .  52 Abs.  1  BVG  normierte  Interpellationsrecht  bezieht  sich  auf  den  gesamten
Geschäftsführungsbereich der  Bundesregierung.  Somit umfasst es die  Tätigkeit der  Mitglieder
der  Bundesregierung  und  der  ihrer  Leitung  unterstehenden  Organe,  also  auch  die
Privatwirtschaftsverw altung, einschließlich der Tätigkeit selbständiger juristischer  Personen und
deren  Organe,  allerdings  hier  nur insoweit,  als dem  Bund  konkret  Rechte eingeräumt worden
sind  (z.  B.  Beteiligungsrechte).  Nach herrschender Auff assung, die auch vom RLW-Dienst und
vom  BKAVD vertreten wird, können  aber  Nationalrat und  Bundesrat  die  Tätigkeit der  Organe
dieser  juristischen  Personen  nicht  unmittelbar  kontrollieren.  Vielmehr  besteht  das
parlamentarische  Frage- und Kontrollrecht nur insoweit, als es sich auf den  jeweils gesetzlich
eingeräumten  Einflussbereich der  Bundesregierung bzw. des jeweils zuständigen  Mitglieds der
Bundesregierung bezieht.
Im  für  den  Auft rag  der  Präsidialkonferenz  auslösenden  Anlassfall  bestand  der  gesetzlich
eingeräumte  Einflussbereich  – der  die  Grenzen  des  parlamentarisches  Frage- und
Kontrollrechtes definiert  – in der Verpflichtung von Aufsichtsräten zur Auskunft gegenüber dem
Bundeskanzler  bzw.  gegenüber  dem  entsendenden  Bundesminister/der  entsendenden
Bundesministerin  über  die  Beschlüsse  des  Aufsichtsrates (§  13 Abs. 6 Bundestheaterorganisationsgesetz).

In diesem  Fall besteht  Einvernehmen zwischen den beiden Rechtsdiensten, dass das zuständige
Mitglied  der  Bundesregierung  zur  Beantwortung  parlamentarischer  Anfragen  im  Hinblick  auf
Aufsichtsratsbeschlüssen  grundsätzlich  verpflichtet  ist,  wenn  eine  gesetzliche  Regelung  ein
Entsenderecht  der  Bundesregierung  bzw.  eines  Mitglieds  der  Bundesregierung  vorsieht.  Das
zuständige  Mitglied  der  Bundesregierung  muss  die  für  die  Beantwortung  einer  solchen
parlamentarischen  Anfrage  erf orderlichen  Auskünft e  gegebenenfalls  auch  im  Rahmen  seiner
rechtlichen  Ingerenz bei den betroff enen  Organen einholen.
Was  die  Frage  des  Inhalts  solcher  Beantwortungen  betrifft,  so  bleibt  die  Verpflichtung  des
zuständigen  Mitglieds  der  Bundesregierung  bestehen,  bei  der  Beantwortung  von
parlamentarischen  Anfragen  gegebenenfalls  die  verfassungsrechtlichen  Verpflichtungen  der
Amtsverschwiegenheit und des Datenschutzes hinsichtlich  schützenswert er personenbezogener
Daten  (einschließlich von  Betriebs- und Geschäft sgeheimnissen) zu wahren.
Mit freundlichen Grüßen
Herrn
Bundeskanzler
Werner  Faymann
Bundeskanzleramt
Ballhausplatz 2
10 14  W i e n