Dieser Baukulturreport hat erstmals im Jahr 2006 eine Reihe von Defiziten aufgelistet, die ein politisches Handeln erfordern. Themen waren unter anderen der flächen- und energieaufwendige Siedlungsbau, die Verödung der Ortszentren, soziale Auswirkungen des Bauens auf die Mietpreise, die unfaire Vergabe von Bauaufträgen oder der Mangel an verbindlichen Qualitätskriterien.
Die Regierung hat seither keines der angesprochenen Defizite und Problemfelder auch nur irgendwie in Angriff genommen. Die Versiegelung Österreichs ist in einem grauenhaften Ausmaß vorangeschritten. Jahr für Jahr werden Flächen in der Größenordnung von 10.000 Fußballfeldern für Verkehr, Gebäude, Infrastruktur und Freizeit verbraucht. Das waren über die letzten zehn Jahre etwa 1 Prozent der gesamten Landesfläche Österreichs (über 800 km²)! Übergroße Einkaufszentren an der Peripherie zerstören und entkernen die gewachsenen Ortsstrukturen und nach wie vor werden öffentliche Gelder ineffizient für Bauprojekte ausgegeben, die Landschaft zerstören und damit die Grundlagen für Tourismus und Lebensqualität künftiger Generationen.
2008 nahm der Bundeskanzler die Entschließung des Parlaments auf und richtete einen ressortübergreifenden Beirat für Baukultur im Bundeskanzleramt ein, in dem auch die Länder und Gemeinden sowie externe ExpertInnen und Experten vertreten sind. Dieser wurde in der Koordinationsabteilung des Bundeskanzleramtes eingerichtet, damit er die Querschnittsmaterie Baukultur, die alle Ministerien betrifft, koordinierend betreuen kann. Der Beirat konnte zwar erst im März 2009 zusammentreten, hat dann aber laufend Empfehlungen ausgearbeitet.
Auch der Baukulturreport im Jahr 2011 hat – fünf Jahre nach dem ersten – 24 Handlungsanleitungen erarbeitet, die sich an sieben Ministerien richten. Und er hat, um einen guten Willen seitens der Regierung erkennbar zu machen, vorgeschlagen, dass diese
1. baukulturelle Leitlinien als Selbstverpflichtung der Republik erstellen lässt.
2. ein operatives Budget zur Umsetzung dieser Leitlinien freigibt.
Im November 2012 baten Sie bei Ihrer Teilnahme an der 12. Sitzung des Beirats für Baukultur diesen, Konzepte für eine Baukulturdeklaration und einen Baukulturfonds auszuarbeiten. Dieses Anliegen wurde in der ersten Jahreshälfte 2013 unter reger Beteiligung vieler Ländervertreterinnen und Ländervertreter durch zwei Arbeitsgruppen des Beirats erfüllt. Im Juni 2013 beschloss der Baukulturbeirat diese Konzepte und brachte dem Ministerrat die darin formulierten konkreten Empfehlungen mit Ablaufprozessen zu deren Umsetzung und Budgetierung zur Kenntnis. Geschehen ist seither nichts.
Im Gegenteil. Der Beirat für Baukultur wurde auf Ihr Betreiben von der Koordinationsabteilung des BKA in die Abteilung für Denkmalsschutz und Welterbe verschoben. Damit ist seine übergeordnete Symbolik und die Möglichkeit für zusammenführende Maßnahmen aller Ministerien erschwert worden.
Die Regierung hat sämtliche Anleitungen, alle Empfehlungen und Vorschläge ignoriert. Auch entsprechende Entschließungsanträge der Grünen wurden 2013 mit dem Hinweis vertagt, die „Vorbereitungen der Bundesregierung seien in dieser Angelegenheit schon sehr weit gediehen.“ (Parlamentskorrespondenz Nr. 577).
Der Baukulturbeirat hat trotz aufrechten parlamentarischen Auftrags seit November 2013 nicht mehr getagt, nachdem seine fünfjährige Funktionsperiode endete. Als zuständiger Minister hätten Sie die Aufgabe gehabt, ihn neu zu konstituieren, Mitglieder zu bestellen und den Vorsitz zu ernennen. Das ist nicht geschehen. Es wäre zudem angebracht gewesen, den noch amtierenden Mitgliedern einen nächsten Sitzungstermin bekannt zu geben und den anhaltenden Stillstand zu begründen.
2016 ist dem Nationalrat der nächste Baukulturreport zur Kenntnis zu bringen. Da für seine Erarbeitung bisher immer zwei Jahre Vorlaufzeit notwendig waren, wäre er spätestens Anfang 2015 zu beauftragen gewesen. Das ist nicht geschehen.
Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE
1) Wer organisiert den Beirat für Baukultur im Ministerium oder im BKA?
2) Wenn niemand dafür zuständig ist: Hätte eine diesbezügliche Entscheidung nicht bis längstens Juni 2014 fallen sollen?
3) Wenn jemand zuständig ist: Wann ist die Entscheidung gefallen?
4) Wenn es noch keine Entscheidung dazu gibt, warum nicht?
Antwort des Bundesministers zu den Fragen 1 bis 4:
Laut der mit 1. Mai 2015 in Kraft getretenen Geschäftseinteilung des Bundeskanzler-
amtes ist die Abteilung II/4 mit den Angelegenheiten des Baukulturbeirates betraut.
Die sachliche Leitung dieser Angelegenheiten wurde mir auf Grund der Entschlie-
ßung des Herrn Bundespräsidenten BGBl II 37/2014 übertragen. Mit Schreiben vom
5. Juni 2015 wurden alle entsendenden Stellen gemäß § 3 der Verordnung über den
Beirat für Baukultur eingeladen, Vertreterinnen und Vertreter zu nominieren.
5) Warum wurde der Baukulturreport 2016 bislang nicht in Auftrag gegeben?
Antwort des Bundesministers:
Der Baukulturbeirat soll gemäß § 2 Abs. 1 Z 8 der Verordnung über den Beirat den
Baukulturreport weiterführen. Eine Auftragsvergabe für den Baukulturreport 2016
wird daher erst nach der Konstituierung des Baukulturbeirates erfolgen.
6) In welcher Größenordnung war 2014 ein Baukulturreport budgetiert?
7) In welcher Größenordnung ist für 2015 und 2016 ein Baukulturreport budgetiert?
Antwort des Bundesministers zu den Fragen 6 und 7:
Die Bedeckung der Kosten für den Baukulturreport wird im Rahmen der der Sektion
für Kunst und Kultur zur Verfügung stehenden Budgetansätze erfolgen. Es sind keine
gesonderten Ansätze für diese Kosten vorgesehen.
8) Wann wird der Baukulturreport in Auftrag gegeben und wie soll er bis 2016 fertig gestellt sein, wenn er bislang immer zwei Jahre an Vorlaufzeit benötigt hat?
Antwort des Bundesministers:
Der Baukulturreport 2016 soll nach der Konstituierung des Baukulturbeirates in Auf-
trag gegeben werden und möglichst zeitgerecht, allenfalls zu Jahresanfang 2017
erscheinen.
9) Warum hat der Baukulturbeirat seit November 2013 nicht mehr getagt?
Antwort des Bundesministers zu den Fragen 9 und 11:
Mit 1. Mai 2015 wurden organisatorische Änderungen im Bundeskanzleramt, die
auch die die Angelegenheiten des Baukulturbeirates betrafen, in wesentlichen Teilen
abgeschlossen, sodass nun – auch aufbauend auf zwischenzeitlich erfolgten inhalt-
lichen Vorbereitungen – der Baukulturbeirat wieder zusammentreten soll.
10) Wann wird der Baukulturbeirat wieder zusammentreten?
Antwort des Bundesministers:
Mit dem Vorsitzenden wurde in Aussicht genommen, dass der Baukulturbeirat am
21. Oktober 2015 zusammen treten soll.
11) Warum haben Sie bislang keine Mitglieder für den Baukulturbeirat ernannt?
12) Warum haben Sie bislang für den Baukulturbeirat keinen Vorsitz bestellt?
Antwort des Bundesministers:
Univ.-Prof. Dr. Christian Kühn wurde mit Schreiben vom 8. August 2015 zum Vorsit-
zenden des Baukulturbeirates bestellt.
13) Haben Sie in der Sitzung des Beirats für Baukultur am 21.11.2012 als damals zuständiger Staatssekretär im BKA die Erstellung einer Baukulturdeklaration des Bundes und die Einrichtung eines Baukulturfonds oder einer Baukulturstiftung als wesentliche und wichtige Schritte einer verantwortungsvollen Baukulturpolitik identifiziert und zugesagt, die rasche Umsetzung dieser Maßnahme aktiv zu betreiben und dafür zusätzliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen?
14) Welche der genannten Maßnahmen wurden mittlerweile verwirklicht?
15) Wie geht die Bundesregierung mit der Baukultur um?
Antwort des Bundesministers zu den Fragen 13 bis 15:
Ich vertrete die Position, dass der Beirat keine „Superbaubehörde“ sein kann und
soll, sondern ein wichtiger Impulsgeber, insbesondere für den Zuständigkeitsbereich
des Bundes. Daher wurde der Beirat um vertiefende Überlegungen zu einer Baukul-
turdeklaration des Bundes und zur Einrichtung eines Baukulturfonds oder einer Bau-
kulturstiftung gebeten.
In Folge der Beiratssitzung vom 21. November 2012 hat das Bundeskanzleramt
zusätzliche Ressourcen für zwei Arbeitsgruppen des Beirats bereitgestellt, die
wichtige Grundlagen für beide genannte Vorhaben erarbeitet haben. Eine
Umsetzung kann aber aufgrund der Kompetenzlage nicht vom Bundeskanzleramt
allein geleistet werden, sondern bedarf der Initiative und Mitarbeit aller zuständigen
Akteure von Bund, Ländern, Gemeinden und Interessensvertretungen in ihren
jeweiligen eigenen Wirkungsbereichen.