Der Bund als wichtigster Eigentümer und Mieter von Immobilien, vor allem aber als Gesetzgeber hat eine enorme Vorbildfunktion und Verantwortung, was das Erscheinungsbild, die ökonomischen und die ökologischen Komponenten der Raumplanung und des Bauens in Österreich betrifft. Bis 1987 gab es dafür das verantwortliche Bundesministerium für Bauten und Technik, dessen oberhoheitliche Aufgabe danach aber zersplittert und auf verschiedene Ressorts verteilt worden war. Seither scheint niemand mehr im Land für dessen Aussehen verantwortlich zu sein.2002 haben sich deshalb wesentliche Architekturorganisationen zusammengetan, um als zivilgesellschaftliche „Plattform für Baukultur“ den Dialog mit der Politik zu suchen. Diese Plattform hat als ersten Schritt die Einrichtung eines österreichweiten Baukultur-Dialogs eingefordert, an dem sich neben den zuständigen Ministerien auch die Bundesländer, Gemeinden, Kammern und Interessensorganisationen beteiligen sollten. Zudem hat sich die Plattform für die Beauftragung eines Baukulturreports eingesetzt, der den Status Quo erkunden und konkrete Vorschläge zu allfällig erforderlichen Verbesserungen erarbeiten sollte.Ihre Beharrlichkeit führte 2004 zur parlamentarischen Enquete „Architekturpolitik und Baukultur in Österreich“ und in der Folge zur parlamentarischen Entschließung 91/E (XXII GP), die mit den Stimmen aller Parteien angenommen wurde und die die Bundesregierung ersuchte, einen Baukultur-Dialog zu etablieren und einen Baukulturreport in Auftrag zu geben, der dem Parlament vorzulegen sei. In einer zweiten parlamentarischen Entschließung 42/E (XXIII GP) wurde die Bundesregierung ersucht, einen Beirat für Baukultur einzurichten und den Baukulturreport im Fünf-Jahres-Rhythmus weiterzuführen.

Dieser Baukulturreport hat erstmals im Jahr 2006 eine Reihe von Defiziten aufgelistet, die ein politisches Handeln erfordern. Themen waren unter anderen der flächen- und energieaufwendige Siedlungsbau, die Verödung der Ortszentren, soziale Auswirkungen des Bauens auf die Mietpreise, die unfaire Vergabe von Bauaufträgen oder der Mangel an verbindlichen Qualitätskriterien.

Die Regierung hat seither keines der angesprochenen Defizite und Problemfelder auch nur irgendwie in Angriff genommen. Die Versiegelung Österreichs ist in einem grauenhaften Ausmaß vorangeschritten. Jahr für Jahr werden Flächen in der Größenordnung von 10.000 Fußballfeldern für Verkehr, Gebäude, Infrastruktur und Freizeit verbraucht. Das waren über die letzten zehn Jahre etwa 1 Prozent der gesamten Landesfläche Österreichs (über 800 km²)! Übergroße Einkaufszentren an der Peripherie zerstören und entkernen die gewachsenen Ortsstrukturen und nach wie vor werden öffentliche Gelder ineffizient für Bauprojekte ausgegeben, die Landschaft zerstören und damit die Grundlagen für Tourismus und Lebensqualität künftiger Generationen.

2008 nahm der Bundeskanzler die Entschließung des Parlaments auf und richtete einen ressortübergreifenden Beirat für Baukultur im Bundeskanzleramt ein, in dem auch die Länder und Gemeinden sowie externe ExpertInnen und Experten vertreten sind. Dieser wurde in der Koordinationsabteilung des Bundeskanzleramtes eingerichtet, damit er die Querschnittsmaterie Baukultur, die alle Ministerien betrifft, koordinierend betreuen kann. Der Beirat konnte zwar erst im März 2009 zusammentreten, hat dann aber laufend Empfehlungen ausgearbeitet.

Auch der Baukulturreport im Jahr 2011 hat – fünf Jahre nach dem ersten – 24 Handlungsanleitungen erarbeitet, die sich an sieben Ministerien richten. Und er hat, um einen guten Willen seitens der Regierung erkennbar zu machen, vorgeschlagen, dass diese

1. baukulturelle Leitlinien als Selbstverpflichtung der Republik erstellen lässt.

2. ein operatives Budget zur Umsetzung dieser Leitlinien freigibt.

Im November 2012 baten Sie bei Ihrer Teilnahme an der 12. Sitzung des Beirats für Baukultur diesen, Konzepte für eine Baukulturdeklaration und einen Baukulturfonds auszuarbeiten. Dieses Anliegen wurde in der ersten Jahreshälfte 2013 unter reger Beteiligung vieler Ländervertreterinnen und Ländervertreter durch zwei Arbeitsgruppen des Beirats erfüllt. Im Juni 2013 beschloss der Baukulturbeirat diese Konzepte und brachte dem Ministerrat die darin formulierten konkreten Empfehlungen mit Ablaufprozessen zu deren Umsetzung und Budgetierung zur Kenntnis. Geschehen ist seither nichts.

Im Gegenteil. Der Beirat für Baukultur wurde auf Ihr Betreiben von der Koordinationsabteilung des BKA in die Abteilung für Denkmalsschutz und Welterbe verschoben. Damit ist seine übergeordnete Symbolik und die Möglichkeit für zusammenführende Maßnahmen aller Ministerien erschwert worden.

 

Die Regierung hat sämtliche Anleitungen, alle Empfehlungen und Vorschläge ignoriert. Auch entsprechende Entschließungsanträge der Grünen wurden 2013 mit dem Hinweis vertagt, die „Vorbereitungen der Bundesregierung seien in dieser Angelegenheit schon sehr weit gediehen.“ (Parlamentskorrespondenz Nr. 577).

Der Baukulturbeirat hat trotz aufrechten parlamentarischen Auftrags seit November 2013 nicht mehr getagt, nachdem seine fünfjährige Funktionsperiode endete. Als zuständiger Minister hätten Sie die Aufgabe gehabt, ihn neu zu konstituieren, Mitglieder zu bestellen und den Vorsitz zu ernennen. Das ist nicht geschehen. Es wäre zudem angebracht gewesen, den noch amtierenden Mitgliedern einen nächsten Sitzungstermin bekannt zu geben und den anhaltenden Stillstand zu begründen.

2016 ist dem Nationalrat der nächste Baukulturreport zur Kenntnis zu bringen. Da für seine Erarbeitung bisher immer zwei Jahre Vorlaufzeit notwendig waren, wäre er spätestens Anfang 2015 zu beauftragen gewesen. Das ist nicht geschehen.

 

Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgende

ANFRAGE

 

1) Wer organisiert den Beirat für Baukultur im Ministerium oder im BKA?

2) Wenn niemand dafür zuständig ist: Hätte eine diesbezügliche Entscheidung nicht bis längstens Juni 2014 fallen sollen?

3) Wenn jemand zuständig ist: Wann ist die Entscheidung gefallen?

4) Wenn es noch keine Entscheidung dazu gibt, warum nicht?

Antwort des Bundesministers zu den Fragen 1 bis 4:

Laut der mit 1. Mai 2015 in Kraft getretenen Geschäftseinteilung des Bundeskanzler-
amtes ist die Abteilung II/4 mit den Angelegenheiten des Baukulturbeirates betraut.
Die  sachliche  Leitung  dieser  Angelegenheiten  wurde  mir  auf  Grund  der  Entschlie-
ßung des Herrn Bundespräsidenten BGBl II 37/2014 übertragen. Mit Schreiben vom
5. Juni 2015 wurden alle entsendenden Stellen gemäß § 3 der Verordnung über den
Beirat für Baukultur eingeladen, Vertreterinnen und Vertreter zu nominieren.

5) Warum wurde der Baukulturreport 2016 bislang nicht in Auftrag gegeben?

Antwort des Bundesministers:

Der Baukulturbeirat soll gemäß § 2 Abs. 1 Z 8 der Verordnung über den Beirat den
Baukulturreport  weiterführen.  Eine  Auftragsvergabe  für  den  Baukulturreport  2016
wird daher erst nach der Konstituierung des Baukulturbeirates erfolgen.

6) In welcher Größenordnung war 2014 ein Baukulturreport budgetiert?

7) In welcher Größenordnung ist für 2015 und 2016 ein Baukulturreport budgetiert?

Antwort des Bundesministers zu den Fragen 6 und 7:

Die Bedeckung der Kosten für den Baukulturreport wird im Rahmen der der Sektion
für Kunst und Kultur zur Verfügung stehenden Budgetansätze erfolgen. Es sind keine
gesonderten Ansätze für diese Kosten vorgesehen.

8) Wann wird der Baukulturreport in Auftrag gegeben und wie soll er bis 2016 fertig gestellt sein, wenn er bislang immer zwei Jahre an Vorlaufzeit benötigt hat?

Antwort des Bundesministers:

Der Baukulturreport 2016 soll nach der Konstituierung des Baukulturbeirates in Auf-
trag  gegeben  werden  und  möglichst  zeitgerecht,  allenfalls  zu  Jahresanfang  2017
erscheinen.

9) Warum hat der Baukulturbeirat seit November 2013 nicht mehr getagt?

Antwort des Bundesministers zu den Fragen 9 und 11:

Mit  1.  Mai  2015  wurden  organisatorische  Änderungen  im  Bundeskanzleramt,  die
auch die die Angelegenheiten des Baukulturbeirates betrafen, in wesentlichen Teilen
abgeschlossen, sodass nun – auch aufbauend auf zwischenzeitlich erfolgten inhalt-
lichen Vorbereitungen – der Baukulturbeirat wieder zusammentreten soll.

10) Wann wird der Baukulturbeirat wieder zusammentreten?

Antwort des Bundesministers:

Mit  dem  Vorsitzenden  wurde  in  Aussicht  genommen,  dass  der  Baukulturbeirat  am
21. Oktober 2015 zusammen treten soll.

11) Warum haben Sie bislang keine Mitglieder für den Baukulturbeirat ernannt?

12) Warum haben Sie bislang für den Baukulturbeirat keinen Vorsitz bestellt?

Antwort des Bundesministers:

Univ.-Prof. Dr. Christian Kühn wurde mit Schreiben vom 8. August 2015 zum Vorsit-
zenden des Baukulturbeirates bestellt.

13) Haben Sie in der Sitzung des Beirats für Baukultur am 21.11.2012 als damals zuständiger Staatssekretär im BKA die Erstellung einer Baukulturdeklaration des Bundes und die Einrichtung eines Baukulturfonds oder einer Baukulturstiftung als wesentliche und wichtige Schritte einer verantwortungsvollen Baukulturpolitik identifiziert und zugesagt, die rasche Umsetzung dieser Maßnahme aktiv zu betreiben und dafür zusätzliche Ressourcen zur Verfügung zu stellen?

14) Welche der genannten Maßnahmen wurden mittlerweile verwirklicht?

15) Wie geht die Bundesregierung mit der Baukultur um?

Antwort des Bundesministers zu den Fragen 13 bis 15:

Ich  vertrete  die  Position,  dass  der  Beirat  keine  „Superbaubehörde“  sein  kann  und
soll, sondern ein wichtiger Impulsgeber, insbesondere für den Zuständigkeitsbereich
des Bundes. Daher wurde der Beirat um vertiefende Überlegungen zu einer Baukul-
turdeklaration des Bundes und zur Einrichtung eines Baukulturfonds oder einer Bau-
kulturstiftung gebeten.

In  Folge  der  Beiratssitzung  vom  21.  November  2012  hat  das  Bundeskanzleramt
zusätzliche  Ressourcen  für  zwei  Arbeitsgruppen  des  Beirats  bereitgestellt,  die
wichtige  Grundlagen  für  beide  genannte  Vorhaben  erarbeitet  haben.  Eine
Umsetzung  kann  aber  aufgrund  der  Kompetenzlage  nicht  vom  Bundeskanzleramt
allein geleistet werden, sondern bedarf der Initiative und Mitarbeit aller zuständigen
Akteure  von  Bund,  Ländern,  Gemeinden  und  Interessensvertretungen  in  ihren
jeweiligen eigenen Wirkungsbereichen.