Von Hedwig Kainberger | 22.01.2014

Die rätselhafte Entlassung von Vizedirektorin Silvia Stantejsky ist Thema für den Aufsichtsrat des Burgtheaters. Was kann dabei herauskommen? Dies fragten die SN den Kultursprecher der Grünen, Wolfgang Zinggl.

Dem Aufsichtsrat des Burgtheaters steht am Mittwoch eine brenzlige Sitzung bevor. Zu besprechen ist, was seit Wochen für Turbulenzen sorgt: Anfang Jänner war bekannt geworden, dass die künstlerische Vizedirektorin Silvia Stantejsky, die bis Frühjahr 2013 kaufmännische Leiterin gewesen war, entlassen worden ist. Aber wenig später erklärte das Ensemble der Burgschauspieler seine Solidarität mit ihr. Auf Fragen nach Gründen für diese Entlassung sprachen Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann sowie Georg Springer, Chef der Bundestheater-Holding und Vorsitzender im Aufsichtsrat des Burgtheaters, von „Unregelmäßigkeiten“ oder „aufklärungsbedürftigen“ Vorgängen.

Was ist nun vom Aufsichtsrat zu erwarten? Dies fragten die SN den Kultursprecher der Grünen, Wolfgang Zinggl.

SN: Inwiefern ist diese Sitzung
des Aufsichtsrats wichtig?

Zinggl: Mit dieser Sitzung wird der Aufsichtsrat in die Verantwortung gezogen. Bisher musste er ja nichts Genaues gewusst haben. Jetzt aber ist er verpflichtet, entscheidende Fragen zu stellen und zu klären, was genau die Probleme im Burgtheater sind und ob es andere Verantwortliche als die frühere kaufmännische Leiterin (Silvia Stantejsky, Anm.) gibt.

SN: Wonach genau müsste der Aufsichtsrat fragen?

Zinggl: Zuerst müssen alle Zahlen auf den Tisch: Wie groß ist das Defizit wirklich? Wodurch wurde es ausgelöst? Was ist das tatsächliche Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit? Wie hoch sind die Verbindlichkeiten?

Dann muss der Aufsichtsrat prüfen, ob er bisher alle erforderlichen Zahlen bekommen hat, die der Geschäftsführung bekannt waren, ob er also richtig und vollständig informiert war. Wenn nicht, ist Gefahr im Verzug.

Weiters ist zu fragen: Nach welchen Ungereimtheiten suchen die Wirtschaftsprüfer (KPMG Austria, Anm.) denn genau? Weitere Fragen müssten den Umständen der Entlassung Frau Stantejskys gelten, etwa: Wann hat sie welche Beträge dem Burgtheater geliehen? Warum musste sie das tun? Wer außer ihr hat davon gewusst?

SN: Wird es darauf nicht heißen, man müsse den Prüfbericht von KPMG abwarten?

Zinggl: Möglicherweise, aber das ist nicht richtig. Dies alles muss dem Aufsichtsrat jederzeit berichtet werden können, sonst wäre er unnötig. Alle Zahlen für das abgelaufene und das laufende Geschäftsjahr muss die kaufmännische Leitung parat haben. Wenn dem nicht so wäre, wiese das auf einen dicken Wurm hin.

SN: Gerüchten zufolge könnte
das Defizit des vorigen Geschäftsjahres einen zweistelligen Millionenbetrag erreichen. Erscheint
das plausibel?

Zinggl: Nein. Ein so hohes Nettodefizit kann ich mir nicht vorstellen. Das wäre ein GAU. Dann müssten viele zurücktreten. Das halte ich für ausgeschlossen.

SN: Wie wäre mit einem geringeren Defizit umzugehen?

Zinggl: Kommt es zu einem Defizit, das im Aufsichtsrat nicht vorher besprochen und genehmigt worden ist, muss es die Geschäftsführung in der Regel im Folgejahr abbauen. Wiederholt sich das, müsste der Aufsichtsrat Konsequenzen ziehen.

SN: Es heißt, die kaufmännischen Probleme seien unter anderem durch die Geldnot verursacht, weil Subventionen seit Jahren eingefroren sind. Was halten Sie davon?

Zinggl: Die Subventionen hätten ja gar nicht erhöht werden dürfen! Denn es wurde ein großes Sparpotenzial festgestellt. Kulturministerin Claudia Schmied hat die Bundestheater mit dem Auftrag einer „wirtschaftlichen Effizienzanalyse“ von Ernst & Young ausführlich evaluieren lassen (Prüfkosten von rund 550.000 Euro, Anm.).

Der Endbericht wurde zwar nie veröffentlicht, allerdings wurde für den Bundestheater-Konzern ein Sparpotenzial von zwölf Mill. Euro bekannt gegeben. Diesen Betrag hat Holding-Chef Georg Springer im Dezember 2011 bestätigt. Damals wurde auch ein Maßnahmenkatalog erarbeitet, doch auch der ist geheim gehalten. Ich hoffe, dass den wenigstens der Aufsichtsrat gesehen hat.

Ein Teil von diesem Sparpotenzial muss auf das Burgtheater entfallen. Und damals war Medienberichten zu entnehmen, dass laut „Effizienzanalyse“ die Kosten im Burgtheater höher sind als bei anderen Bühnen der Bundestheater. Auch das lässt ein Sparpotenzial vermuten. Und spätestens jetzt müsste der Aufsichtsrat fragen: Was von diesen Empfehlungen der „Effizienzanalyse“ ist im Burgtheater umgesetzt?

SN: Sind das alles Fragen an die kaufmännische Leitung oder auch an Burgtheaterdirektor Matthias Hartmann?

Zinggl: Wenn ich im Aufsichtsrat wäre, würde ich Herrn Hartmann fragen: Was haben Sie gewusst und was nicht?

Die Zahlen muss er kennen, denn dafür ist er nach dem Bundestheatergesetz in letzter Konsequenz verantwortlich. Und für diese Verantwortung erhält er ja ein hohes Gehalt. Eines geht nicht: Zurücklehnen, wenn es brenzlig wird – mit der Begründung: „Ich hab keine Zeit fürs Kaufmännische, ich bin mit dem Künstlerischen ausgelastet.“ Das ist im Bundestheatergesetz so nicht vorgesehen.

SN: Was ist da vorgesehen?

Zinggl: Dass der künstlerische Leiter überall mitreden kann und dass er im Falle eines Meinungsunterschieds mit dem kaufmännischen Leiter das Dirimierungsrecht hat. Somit hat er die Letztverantwortung.

SN: Was ist im Burgtheater falsch gelaufen?
Zinggl: Um das genau zu sagen, habe ich zu wenig Einblick. Fest steht nur: Da passt vieles vorn und hinten nicht mehr zusammen. Mein Eindruck ist, es wurde zu viel Geld ausgegeben, ohne auf die Bedeckung zu achten.

Eine Zeit lang kann so etwas kaschiert werden, aber nicht auf Dauer. Irgendwann brennt der Hut.

SN: Was kann der Kulturausschuss des Nationalrats dazu beitragen?

Zinggl: Derzeit nicht viel, denn es gibt keine Sitzung, obwohl die Vorsitzende Beate Meinl-Reisinger (Neos, Anm.) mehrere Termine vorgeschlagen hat.

Die SPÖ hat keinem Termin zugestimmt, weil Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek derzeit nur vorübergehend Kunst- und Kulturministerin ist (bis das Bundesministeriengesetz novelliert ist, Anm.).

Wir Abgeordnete hätten durchaus Verständnis, dass sie nicht ad hoc jede Frage beantworten kann. Aber es ist kein Grund, eine Sitzung des Kulturausschusses zu verweigern.

In Sachen Verantwortung der Bundesregierung gibt es kein Interregnum! Im Ausschuss könnten wir zumindest Fragen stellen, die uns als Vertreter der Steuerzahlenden interessieren.